: „Wir haben da sehr große Zweifel“
■ Der Direktor der Bremer Stadtwerke, Czichon, über die Vorschläge des Energiebeirates
I N T E R V I E W
taz: 40 Prozent weniger Kohlendioxid-Emissionen, 2.500 neue Arbeitsplätze, billigere Energie und gleichzeitig höhere Einnahmen für die Stadtwerke - das ist ja ein unglaublich verführerisches Angebot...
Günther Czichon: Ja, aber die 2.500 neuen Arbeitsplätze beruhen auf Berechnungen, die wohl noch mal gründlich geprüft werden müssen. Nach erster Durchsicht des Berichts haben wir da sehr große Zweifel, ob die Grundlagen, auf denen das errechnet worden ist, wirklich haltbar sind.
Noch stärker gilt das für die errechneten Ergebnisverbesserungen der Stadtwerke, denn das beruht auf Energiepreisprognosen, die zwar plausibel sind, aber man kann genausogut andere ebenfalls plausible Annahmen zugrunde legen und kommt dann zu völlig anderen Ergebnissen. Die Ergebnisse der Stadtwerke beruhen dann nämlich vor allem auf dem Fernwärmeverkauf. Der Fernwärmepreis im Jahr 2010 beruht auf dem dann vorhandenen Ölpreis. Und den kennt heute keiner. Daran sieht man, daß das verführerische Angebot des Energiebeirats mit großen Fragezeichen versehen ist.
Sie werden die Vorschläge also nicht befolgen?
Es bedarf der sehr genauen Überprüfung, und es muß auch mit den Fachleuten des ehemaligen Energiebeirats noch gründlicher besprochen werden. Die große Stärke dieses Berichts ist ja, daß er erstmals die Ist-Situation gründlicher ermittelt, als es jemals in irgendeiner anderen Großstadt geschehen ist, und daß er auch seine Empfehlungen in eine sehr vorsichtige Form gekleidet hat.
Aber wenn ich den Bericht richtig verstehe, müßte zum Erreichen des Ziels mit der Umsetzung sofort begonnen werden...
Ja, es gibt ja auch viele Empfehlungen des Berichts, die ohnehin schon seit Jahren von uns verfolgt werden. Wenn Sie an unsere Vorreiterrolle beim Energiesparen mit unserem Kundenzentrum in der Sögestraße denken, da haben wir vor vier Jahren schon etwas in Bewegung gebracht, was wirklich bundesweit vorbildlich ist.
Werden Sie sich denn an die Empfehlung halten, neue Kraftwerke nur noch mit Kraft-Wärme-Koppelung zu bauen?
Etwas anderes wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr bauen. Eine solche Entscheidung steht allerdings in den nächsten 15 Jahren nicht an. Aber wir halten es für nahezu ausgeschlossen, daß dann noch reine Kondensationskraftwerke gebaut werden.
Ein zentraler Vorschlag des Energiebeirats ist die Umstellung auf ein Tarifsystem, das keine Rabatte für Großverbraucher und keine Grundgebühr mehr vorsieht.
Auch da haben wir keine grundsätzlichen Bedenken, wenn die Bundestarifordnung Elektrizität entsprechend geändert wird.
Darauf kann man natürlich lange warten...
Nein, der Referentenentwurf liegt vor, da wird sich noch in diesem Jahr etwas tun. Und gegen eine geltende Verordnung können wir es ja nicht machen.
Der Energiebeirat schlägt auch ein Institut für kommunale Energiepolitik vor, eine Art Folgegremium. Empfinden Sie das als Konkurrenz?
Nein, wissenschaftlicher Rat kann ja nur gut sein.
Aber die Wissenschaftler wollen in diesem Fall ja offensichtlich auch mitentscheiden...
Dann habe ich nicht gründlich genug gelesen, so habe ich es jedenfalls nicht verstanden. Ich habe das als wissenschaftliche Begleitung der künftigen energiewirtschaftlichen Entwicklung in Bremen und Bremerhaven gesehen.
Sie glauben nicht, daß Ihnen da die Arbeit abgenommen wird?
Unsere Verantwortung für die Stadtwerke kann dem Vorstand sowieso niemand abnehmen, nicht einmal der Aufsichtsrat.
Gibt es im Bericht des Energiebeirats einen Punkt, bei dem Sie dachten, „das hätten wir eigentlich schon längst machen können“, oder ist das für Sie nur kalter Kaffee?
Ich kann keinen Punkt nennen, der ein ausgesprochenes Aha -Erlebnis ausgelöst hat, aber kalter Kaffee wäre Unsinn. Das ist eine sehr gründliche Arbeit, und es sind viele Anregungen darin enthalten. Die Zusammenarbeit mit dem Energiebeirat hat in den letzten zwei Jahren auch bei uns Lernprozesse beschleunigt.
Interview: Dirk Asendorpf
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