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TROCKENGELEGT

■ „Jazz in the garden“ im Quartier Latin

Der Jazz in Berlin stirbt aus. Die meisten privaten Veranstalter, von ein paar rühmlichen Ausnahmen abgesehen, haben längst das Handtuch geworfen, ohne öffentliche Subventionen geht in diesem risikoträchtigen Gewerbe fast nichts mehr. Seit Ende 1987 Klaus Achterberg mit seiner „Major Minor Music“ den dritten Konkurs in seiner kurzen Laufbahn als Jazzveranstalter anmelden mußte, sieht es finster aus am Berliner Jazzhimmel. Wenn jetzt auch noch das Jazzfest wegrationalisiert wird, verliert Berlin eine weiteren Stützpfeiler seiner massensuggestiven Illusion von der Kulturmetropole.

Seit 20 Jahren gehalten hat sich, zumindest bist heute, die Reihe „Jazz in the garden“, konzeptionell verantwortet vom ehemaligen Leiter der Jazzfest-Tage, Ralf Schulte -Bahrenberg. Auch diese Reihe überlebt nur durch die künstliche finanzielle Beatmung von Kultursenat und neuerdings auch Klassenlotterie.

Wegen Regen mußte man den freitäglichen Jazz vom Hinterhof der Nationalgalerie ins trockene, um so gemütlichere Quartier Latin legen. Die erste Band, inzwischen traditionell beim „Garten-Jazz“ mit Berliner Musikern bestückt, ist „Pate A Cake“. Die Band um die Sängerin Ute Kannenberg und den „Elephanten“ Joachim Litty fabriziert eine bekömmliche Mixtur aus europäisch verwurzeltem Jazzrock, mit zwei Teilen Samba und Salsa, kräftiger Percussion, einer Prise Blechgeblasenem und einer doppelten Portion Gesang. Lateinamerikanische Elemente kommen durch den brasilianischen Sänger Jorge Degas in die Band. Sein Gesang erinnert mitunter an so schillernde brasilianische Musiker wie Milton Nascimento, solange Degas nicht versucht, die Stimmung im Saal anzuheizen.

Diese Musik verlangt nicht viel Konzentration oder Ernst vom Zuhörer, es geht eher darum, bereitwillig eine Musik mitzusingen, die Degas dem Publikum gestikulierend vorgibt. Jazz, von der leichten Muse umarmt, aber nicht zum seichten Brei zerquetscht. Nicht besonders aufregend, vielleicht auch nicht gerade eine Neuerfindung, aber Labsal für überreizte Hörorgane.

Nach der Pause dann das „European Jazz Ensemble“ in Fußballmannschaftsstärke. Müßig all die Namen zu nennen, viele der beteiligten Musiker haben eigene Bands. Unter den Trompetern Manfred Schoof, der aus der DDR - wie schon im letzten Jahr - stammende Saxophonist Ernst Ludwig Petrowsky und seine Duopartnerin, die Sängerin Uschi Brüning. An der Besetzung des Jazzorchesters kann es jedenfalls nicht gelegen haben, daß so recht keine Atmosphäre aufkommen wollte im Quartier. Ausladende Kompositionen, bei denen die einzelnen sich eher gegenseitig behindern als ergänzen, reihen sich aneinander. Tragende, langatmige Rhythmen schläfern das vorher mit Salsa aufgeputschte Gemüt schnell wieder ein.

Zwischendurch weckt ein Solo, das Saxophon klingelt uns aus dem Schlummer, auch der einzige Gitarrist der Band, Philip Catherine, läßt erahnen, welches Potential im „European Jazz Ensemble“ versteckt liegt, wenn er, fast sphärisch abwesend, durch die Saiten streift. Aber dann keift wieder jemand dazwischen, Uschi Brüning trällert in den höchsten Tönen dazu, kurz vor der Schmerzgrenze findet ihr Frequenzbereich ein glückliches Ende. Auch sie kann, allein oder im Duo, durchaus angenehme Töne verbreiten, aber im Nahkampf der Individuen verlieren alle, besonders der musikalische Gesamtgenuß bleibt auf der Strecke. Die Krankheit vieler Bigbands, einen bläsergetriebenen, verwässerten Großorchestersound zu erzeugen, bricht auch hier schnell aus.

Wahrscheinlich wäre es dem Konzept besser bekommen, einige der Musiker mit ihren Bands einzeln vorzustellen. Ein Multifunktionsbläser wie der Franzose Louis Sclavis geht in einer Bigband unbemerkt unter, erst vor wenigen Wochen konnte man dagegen im Flöz erleben, wieviel Phantasie er mit einer kleinen Gruppe entwickeln kann. Der Jazz in Berlin lebt, noch.

Andreas Becker

Nächsten Freitag, 18 Uhr, „Jazz in the garden“ mit: Irene Schweizer, Sibylle Pomorin; Willers Ullmann mit Paul Bley; The Five Pipes.

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