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Hollywood gegen die Lindenstraße

Bochum zieht wie erwartet mit 2:1 in Dortmund den kürzeren  ■  Aus Dortmund Ch. Biermann

Seien wir ehrlich, das Revierderby ist das Spiel von Borussia Dortmund gegen Schalke 04. Dortmund gegen Bochum ist eigentlich nur ein Fußballspiel - ohne größere halbreligiöse Untertöne. Schließlich siedeln beide Klubs in ganz unterschiedlichen Sphären. Während der BVB wahlweise ein „Rätsel“ oder ein „Phänomen“ ist, bleibt der VfL dagegen ein Fußballverein, der zudem zur Zeit sein Graue-Maus-Image auf Hochglanz poliert hat.

Für das Skizzieren der Zukunft nimmt man in Bochum wieder gerne die Farbe Schwarz. Martin Kree, der Vorstopper und in dieser Saison beste Spieler, wird einen Weg gehen, den vor ihm schon ein halbes Dutzend Spieler beschritten haben: von Bochum nach Leverkusen. Für Andrzej Iwan, den unglücklichen Polen, werden keine weiteren Videorecorder gen Osten geschickt. Er muß gehen. Nur will niemand dieses Fast -Mittelfeldgenie haben.

Und Ralf „Katze“ Zumdick, in Bochum schon so etwas wie ein Torwartdenkmal, soll sich angeblich aufs gut bezahlte Altenteil nach Lyon zurückziehen. Die verbleibenden Leistungsträger werden langsam alt, die jungen Spieler sind nicht leistungsstark genug, für Transfers gibt es kein Geld.

Zudem interessiert sich in Bochum niemand mehr (außer dem Autor mit seinem „Jetzt erst recht„-T-Shirt, d.R.) für den VfL. Die Rückserie dieser Saison hat sich sportlich und finanziell fast zur Katastrophe ausgewachsen: Nur 10 Punkte aus 15 Spielen, der Zuschauerschnitt für diese Zeit ist nicht einmal mehr fünfstellig.

Kein Wunder also, daß der Ruhrschnellweg, der die 14 Kilometer zwischen dem Ruhrstadion in Bochum und dem Westfalenstadion in Dortmund verbindet, eine Stunde vor Anpfiff staufrei war. Nur wenige Bochumer wollten nachdrücklich daran erinnert werden, daß es in der Bundesliga auch anderes gibt als Heimniederlagen ohne Trost vor dürrer Kulisse.

Dieses andere hat Borussia Dortmund nämlich in Fülle zu bieten. Erfolg etwa, denn die Mannschaft steht im Pokalfinale und hat auch noch eine Chance, sich für den UEFA -Cup zu qualifizieren. Hier ist die Fußballwelt prall und übervoll. Hier gibt es Helden und Versager, Schurken und Prinzen, Intrigen, Liebe und Haß. Vier Zeitungen, ein lokales Radio und eine lokale Fersehstation rangeln heftig darum, das Buch dieser Aufführung weiter zu schreiben. Und ein riesiges Publikum leidet und feiert mit. Hier braucht es keine Ligareform, sie provoziert hier allenfalls Achselzucken.

Dortmund gegen Bochum, dieses Revierderby, das ist Hollywood gegen die Lindenstraße, David O. Selznick gegen Volker Schlöndorff. Gewinner und Verlierer stehen da natürlich schon vorher fest. Auf der einen Seite stehen Frank Mill als Robert Mitchum, Andreas Möller als Audrey Hepburn und Horst Köppel als James Stewart, auf der anderen ist Walter Oswald die Mutter Beimer.

Und Walter Oswald war es auch, der in der 35. Minute das Tor traf, das eigene versteht sich. 2:0 stand es damit für Borussia, und alles schien wie vorausgesehen. Doch für den Rest der Spielzeit zerrten und rüttelten die Bochumer, kämpften und ja, spielten sogar, daß man meinen konnte, sie würden ihre Rolle doch noch sprengen können.

Konsterniert schauten die Borussen zu, wie sie auf einen drohenden Punktverlust oder gar Schlimmeres zusteuerten. Ihr zärtlich geliebter Mittelfeldstar Andy Möller mußte sogar ausgewechselt werden, wegen „Dummheit“, wie der Trainer hinterher meinte. Er hatte zu arg gefoult, ein Platzverweis drohte.

Aber das Glück stand ihnen zur Seite. Ihre Oponnenten aus der Lindenstraße hingegen wurden unversehens zu großen Verlierern, mit einem Schuß Tragik versehen, so daß ihnen die Herzen ihrer Anhänger wieder zuflogen. So bleibt letztendlich alles an seinem Platz, aber es war doch schöner geworden.

DORTMUND: de Beer - Kroth - Kutowski, Nikolic, MacLeod Lusch (79.Conrad), Möller (68.Strudal), Zorc, Rummenigge

BOCHUM: Zumdick - Kempe - Oswald, Kree, Reekers - Heinemann (77.Bolzek), Woelk, Iwan (34.Riechmann), Benatelli, Nehl Leifeld

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