: „Die Opfer kommen in den Blick“
■ Bremer Kirchentagsveranstaltung zu Deportation und Zwangsarbeit in Deutschland
„Deportation, Zwangsarbeit und Tod in Deutschland.“ - Mit diesem „verleugneten Kapitel“ bringt die Abrüstungsinitiative Bremer Kirchengemeinden am 9. Juni eine Großveranstaltung auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin ein. Für Bischof Martin Kruse, den Vorsitzenden des Rates der EKD, stellt das Thema Zwangsarbeiter den Rahmen des diplomatischen Protokolls dar: Der Bischof wird neben Erzbischof German (Russ. Orth. Kirche) und Pfarrer Heinrich Albertz an der Bremer Veranstaltung teilnehmen. „Die Opfer kommen langsam auch bei den Kirchen in unseren Blick,“ deutet Pastor Hans-Günter Sanders die Beteiligung der Prominenz.
Schon auf dem vergangenen Kirchentag in Frankfurt hatte die Abrüstungsinitiative Bremer Kirchengemeinden das Thema eingebracht. Neben vielen Gesprächen und Kontakten hatte sich daraus das Konzept für den 9. Juni in Berlin entwickelt. Das Anliegen der Zwangsarbeiter nach Anerkennung einer moralischen und finanziellen Entschädigung erfährt durch diese kirchliche Würdigung besondere Unterstützung. Ein Historiker aus Hagen (Prof. Herbert) wird „Das Ausmaß des Schreckens“ referieren: ca. zehn Millionen Deportierte, „Displaced Persons“, waren am 8. Mai 1945 „auf dem Boden des besiegten Reiches“.
Als „Zeugen“: Dina und Wladimir Trebuschnoj aus Alma Ata in Kasachstan. Sie besuchten vor einigen Wochen die Hansestadt Bremen, wohin sie aus der Ukraine zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren (vgl. taz vom 3. u. 11.5.89). Dank der Perestroika wurde ihr Visum problemlos bis zum Kirchentag verlängert. Als Betroffene sind außerdem eingeladen: Michail Piotrowski aus Warschau, der in Neuengamme war; Klaas Touber aus Naarden, der im Bremer Arbeitslager Varge arbeiten mußte, sowie das Ehepaar Wilma und Oleksa Szwajka aus Bremen. Oleksa Szwajka war als Zwangsarbeiter in einem Kohlegeschäft am Buntentorsteinweg gelandet und hatte nach Kriegsende eine Deutsche geheiratet. Seitdem kämpft das staatenlos gewordene Ehepaar um seine Staatsangehörigkeit.
Die Namen der gefallenen sowjetischen Zwangsarbeiter, die auf bundesdeutschen Friedhöfen beerdigt sind und von einigen Kirchengemeinden gesammelt wurden, sollen von Pastor Sanders in einem symbolischen Akt einer sowjetischen Delegation übergeben werden. Und die EKD-Beauftrage für Entschädigungsfragen Gertrud Gumlich spricht über die bis heute ausgebliebene Entschädigung.
Für den Hans-Günter Sanders, den Pastor der Bremer Abrüstungsinitiative, liegt die besondere Chance dieser Veranstaltung im direkten Kontakt zwischen den Opfern und den Tätern bzw. deren Kindern. im Aufeinanderzugehen der Menschen, die von ihrer Schuld wissen; „Wegquatschen ist unangemessen.“
ra
Aus Bremen werden in einem Sonderzug und zwei gecharterten Flugzeugen 1.600 ChristInnen zum Kirchentag nach Berlin fahren, der am Mittwoch beginnt. Aus einzelnen Gemeinden fahren zusätzlich Busse, in denen es noch einzelne Plätze gibt.
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