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Von Licht- und Luftkämpfen

Zu später Stunde zieht auch das Erste mal das Höschen aus. Michael Andritzky und Thomas Rautenberg zeichnen die Geschichte der FKK-Bewegung nach. Öffentliche Nacktheit war im prüden deutschen Kaiserreich um 1900, der Ära von Korsett und Stehkragen, noch ein wahres Skandalon. Die frühen Sonnenanbeter, Naturapostel und jugendbewegte Schwärmer, die um die Jahrhundertwende erstmals in Erscheinung traten, hatten deshalb nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit eifernden bürgerlichen Sittlichkeitsvereinen zu tun.

In den zwanziger Jahren sprossen dann die unterschiedlichsten Nackt- und Freikörperkulturgruppen wie Pilze aus dem Boden. Insbesondere die Lebensreformer sahen die Nacktheit als Teil einer umfassend gedachten Erneuerung der Gesellschaft an. Daneben gab es die „völkische“ Richtung. Aus den hehren Lichtsuchern wurden hier in strenger asexueller „Leibeszucht“ gestählte Kämpfer für ein „neues germanisches Reich“. Von da aus war der Schritt nicht mehr weit, die harmlose Nacktheit in den Dienst rassischer Auslese zu stellen. Nach dem zweiten Weltkrieg entideologisierte sich die FKK-Bewegung. Das Skandalon Nacktheit bestand nicht mehr, nachdem die Nackten in aller Öffentlichkeit den Englischen Garten in München und andere städtische Grünflächen erobert hatten.

Der Film dokumentiert diese Geschichte mit weitgehend unbekanntem Film- und Fotomaterial. Hinzu kommen Interviews mit letzten noch lebenden „Licht- und Luftkämpfern“ aus den 20er Jahren. Von Licht- und Luftkämpfern, 23.40 Uhr, ARD

Foto: aus „Ansichten vom Körper“, Schaffhausen 1987

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