: Millionäre, Markt und Mafia
■ Privatunternehmer in Moskau, eine Reportage im ZDF um 19.35 Uhr
Kooperatory“ - das sind inzwischen fast zwei Millionen privater Unternehmer, die, durch Perestroika und eine großzügige Gesetzgebung ermutigt, marktwirtschaftlichen Handel treiben wollen. Mehr als 60.000 sogenannte Kooperativen, 7.000 davon in Maskau, bieten dem Bürger Dienstleistungen aller Art: Luxus-Restaurant oder Hamburger, Schneidereien, Begräbnis, Toiletten, Rechtsberatung, Sexualtherapie, alternatives Brot, Banken, Schuhe, Autos und Ikonen. Die Genossenschaften sollen helfen, die Versorgungslücken der maroden Planwirtschaft zu schließen. Die Kleinbetriebe sind dem Staatssektor offiziell gleichgestellt, aber sie kämpfen gegen bürokratische Opposition, rechtliche Ungewißheiten und ökonomische Teufelskreise, dazu gegen iedologischen Widerstand in der Bevölkerung und im Staatsapparat.
Siebzig Jahre kommunistische Lehre haben ein Denken geschaffen, das sich nun gegen neue Kapitalisten wehrt, schon gar gegen die erfolgreichsten unter ihnen, die Millionäre.
Die Reportage von Anke Ritter geht den schwierigen Arbeitsbedingungen der Kooperative nach: Welche Barrieren gibt es bei einer Gründung? Wieviel Geld dürfen sie verdienen? Dürfen sie alles produzieren? Warum gibt es staatliche Einmischung bei der Festsetzung der Preise? Welche Kooperativen florieren am besten und welche sind inzwischen wieder verboten? Über diese Schwierigkeiten hinaus kämpfen rund 80 Prozent aller Kooperativen mit der Mafia, auch „Reketiry“ genannt, von denen sie regelmäßig erpreßt werden. Die organisierten Banden verlangen zehn bis 15 Prozent des Gewinns, mal 1.000 Rubel für eine Bude auf einem Markt, mal eine ganze Kasse: Wer sich weigert, wird zusammengeschlagen oder ausgeraubt. Die Polizei wird oft nicht gerufen, viele der Staatsbeamten sind auf seiten der Anti-Kapitalisten.
Und doch ist der junge private Wirtschaftssektor deutlicher Beginn der Perestroika: In wenigen Jahren sollen fünf Millionen Sowjetbürger in Kooperativen beschäftigt sein.
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