: Palme-Prozeß: Nur noch eine Spur?
Erster Tag im Mordprozeß Olof Palme: Chefankläger hält den 42jährigen schwedischen Angeklagten für den einzig möglichen Täter / Aussage Lisbet Palmes mit Spannung erwartet ■ Aus Stockholm G.Pettersson
Mit einer in dieser Eindeutigkeit noch nicht bekannten Einzelheit wartete Schwedens Chefankläger zum gestrigen Beginn des Palme-Mordprozesses auf: Der Besuch des Kinos „Grand“ am 28. Februar 1986 sei eine spontane Entscheidung des Ehepaars Palme gewesen, niemand, so Anders Helin, habe davon wissen können. Damit wird der Verdacht auf eine langvorbereiteten Anschlag unwahrscheinlicher.
Helin, der 70 Minuten lang leidenschaftslos den Erkenntnisstand der Ermittler schilderte, ließ keinen Zweifel daran, daß für ihn einzig und allein der 42jährige Krister Pettersson als Täter in Frage komme. Bereits im Frühjahr 1986 habe es Hinweise aus der Unterwelt gegeben, daß „Pettersson etwas mit dem Mord an Palme zu schaffen hat“. Der Angeklagte habe starke Ähnlichkeit mit dem damals angefertigten Phantombild, und im April 1986 habe sich eine Waffe in seiner Wohnung befunden. „Der Angeklagte hat irgendwie herausgefunden, daß die Palmes im Kino 'Grand‘ sind, wartete den Schluß der Vorstellung ab, folgte dem Ehepaar, erschoß Olof Palme und versuchte, mit einem zweiten Schuß Lisbet Palme zu töten“, faßte Helin seine Vermutungen zusammen. Trumpfkarte der Anklage ist die Aussage Lisbet Palmes, die einzige Person, die den Mörder von Angesicht zu Angesicht sah. Eine knappe Minute lang. Sie hat Pettersson bei einer Gegenüberstellung unter elf Personen als den identifiziert, „der Olof ermordete“. Nach schwedischem Prozeßrecht wird Zeugenaussagen aus der Voruntersuchung bei der Urteilsfindung allerdings kein entscheidendes Gewicht beigemessen. So wird Lisbet Palme ihre Aussage vor Gericht wiederholen müssen.
Der Angeklagte hat seit seiner Festnahme am 14. Dezember 1988 alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Er verfügt jedoch über kein Alibi für die Tatzeit. Pettersson erscheint in den Aussagen von Zeugen und Freunden als Doppelcharakter. Die einen schildern ihn als intellektuelle, belesene und kulturell interessierte Person mit starker Verehrung für Palme. Die anderen als gewalttätigen und unberechenbaren Alkoholiker und Narkomanen mit Hang zum Rechtsextremen. Fest steht, daß der aus der Stockholmer Vorortsgemeinde Sollentuna kommende Mann insgesamt 13mal vorbestraft ist, davon achtmal wegen schwerer Gewaltverbrechen. 1971 verübte er einen Mord mit einem Bajonett, mit einem bis dato noch unaufgeklärten Mordfall aus dem Jahre 1972 wird er in Verbindung gebracht.
Die Verteidigung betont, daß nach wie vor die Mordwaffe fehle und vor allem auch das Motiv. Für den Angeklagten spreche zudem, daß er von Anfang an und trotz monatelangem Verhör bei seiner Version geblieben sei. Wegen der Zeugenaussage Lisbet Palmes schließlich, mit der nach Einschätzung von Experten die Anklage steht oder fällt, hagelte es Proteste nicht nur von seiten der Verteidigung. Ihr seien zuviele Zugeständnisse gemacht worden. Arne Liljefors, der Verteidiger des 42jährigen Angeklagten, habe beispielsweise bei der Gegenüberstellung nicht dabei sein dürfen. Lisbet Palme habe dies nicht gewollt.
Die Schweden selbst können den Prozeß live im Radio mitverfolgen, das 3.000 Seiten starke Protokoll der Voruntersuchung zum Preis von 2.000 Kronen pro Stück (rund 600 Mark) ist ausverkauft. Ob mit einer möglichen Verurteilung des 42jährigen der Alptraum des Mordes an dem Regierungschef für die Schweden überstanden sein wird, erscheint fraglich. Über 50 Prozent von ihnen glauben laut einer Sifo-Untersuchung nicht, daß der Angeklagte der Mörder ist.
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