: Eduscho demonstriert in zwei Fronten
Protest gegen Entlassung von Betriebsrat Päper und gegen den Protest dagegen hier bitte das Foto mit den Frauen mit Schildern ■
Foto: Wolfram Steinberg
Im Streit bei Eduscho haben sich die Fronten längst verhärtet (vgl. taz v. 1.6.89). Vor den Werkstoren standen sie sich gestern in Demonstration und Gegendemo lauthals disputierend, sich gegenseitig anklagend und beschimpfend gegenüber: DAG-Mitglieder, deren Bezirkssekretär Hartmut Frensel und Lutz Freitag vom DAG -Bundesvorstand auf der einen Seite. Sie forderten, die fristlose Kündigung des bespitzelten Eduscho-Werkschützers und Betriebsratsmitgliedes Hermann Päper zurückzunehmen.
Auf der anderen Straßenseite, in der Toreinfahrt zum Eduscho -Gelände, standen die „anderen“ Eduscho-Betriebsräte, diejenigen, die Hermann Päpers Kündigung zugestimmt hatten (Zum Hintergrund: 20 von 27 Betriebsräten waren im April für die Kündigung, 5 dagegen, 1 Enthaltung. 4 der Betriebsräte sind DAG-organisiert). Umringt waren sie u.a. von Abteilungsleitern und Vertretern der Geschäftsführung. Beide Fronten waren mit 150 Personen ungefähr gleich stark.
Ihnen ging es nicht um die Entlassung eines Kollegen, um den „rabiaten Umgang“ (so ein HBV-Chef zur taz) der Firma mit einem Betriebsrat und dem Betriebsverfassungsgesetz, ihnen ging es ausschließlich um den „Fall Hartmut Frensel“, um 5.000 Arbeitsplätze, die gefährdet würden, wenn Hartmut Frensel wie angekündigt vor Eduscho-Filialen Unterschriftenaktionen startet, um für die Wiedereinstellung seines Schützlings Hermann Päper zu kämpfen.
Bei Eduscho war verbreitet worden, Frensel hätte zum „Kaffee -Boykott“ aufgerufen, das hatte die KollegInnen mobilisiert. Sie erinnerten sich lautstark an Auftritte des DAG -Sekretärs, an eine 500 Leute starke Demonstration gegen seine Betriebspolitik vor zwei Jahren, an seine Beschimpfungen der „DGB-Verbrecher“ im Neue Heimat-Skandal. „Schicken Sie uns einen anderen Mann, dann verhandeln wir wieder,“ so Betriebsrat Richard Kreutzgrabe zum DAG -Justitiar.
Hochgepuscht gegen Frensel war von Hermann Päper nicht mehr die Rede. Zwischen den Fronten hielten die Vetrauensleute von MBB versteinert ihr Transparent: „Unsere Herren, wer sie auch seien, sehen unsere Zwietracht gern. Denn solange sie uns entzweien, bleiben sie doch unsere Herren“ (Brecht). Allein die Tatsache, daß ein Betriebsratsmitglied mit unternehmensfreundlicher Zustimmung seiner Kollegen gekündigt wurde, war Anlaß zur Solidarität für Betriebsräte von MBB, Erno, ÜNH, für Stadtwerke, Angestelltenkammer, SPD -Bremen und VW-Wolfsburg.
Ein Bremer Jura-Professor, Experte für Arbeitsrecht, hatte vor dem Werkstor in der sich auflösenden Demonstration das Schlußwort: Daß der Werkschützer weder Betriebsgeheimnisse verraten, noch einen Verstoß gegen den Datenschutz noch einen „Vertrauensbruch“ begangen habe: Päper hatte bekanntlich seinem DAG-Obmann den Namen einer Frau weitergegeben, die unter zwei verschiedenen Identitäten erst an einer Gewerkschafts-Pressekonferenz und anschließend als Besucherin bei der Geschäftsleitung aufgetaucht war.
Akten-und sachkundig sieht der Arbeitsrechtsexperte darin keinen Kündigungsgrund. Die Geschäftsleitung dankte ihm für das „gute Gespräch“.
ra
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