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Chomeini im Chaos beigesetzt

■ Fanatische Gläubige rissen Leichnam aus dem Sarg zu Boden / Trauerzug in Menge von Millionen Menschen eingekeilt / Zehn Millionen auf dem Friedhof / Testament voll von Verwünschungen

Teheran (ap/dpa/afp) - Zu einem nahezu unbeschreiblichen Chaos sind die Trauerfeierlichkeiten für den zwei Tage zuvor gestorbenen iranischen Revolutionsführer Chomeini am Dienstag in Teheran ausgeartet. Der Leichnam des Ayatollah konnte erst mit einer Verzögerung von fünf Stunden beigesetzt werden. Der in einem offenen Sarg aufgebahrte Leichnam wurde zu Boden gerissen, als er zu dem rund 35 Kilometer von Teheran entfernten Friedhof der Märtyrer gebracht werden sollte. Chomeini-Sohn Achmed stürzte und verlor seinen schwarzen Turban. Der Trauerzug war in der Menge schließlich so eingekeilt, daß die Beisetzung zunächst abgesetzt wurde. Die wehklagenden Massen drohten völlig außer Kontrolle zu geraten. Nachdem schon am Montag im Gedränge acht Menschen ums Leben gekommen und rund 500 verletzt worden waren, wurden auch am Dienstag wieder zahlreiche Trauernde zu Boden gerissen. Zunächst gab es keinerlei Mitteilungen über Tote und Verletzte. Schließlich wurde der Sarg in einen Hubschrauber umgeladen und zum Friedhof geflogen. Dort warteten rund zehn Millionen Menschen.

Das Testament des Verstorbenen ist am Montag abend in Auszügen von Radio Teheran verlesen worden. Darin werden die US- und alle kommunistischen Regierungen gleichermaßen verdammt. Verdammt und beschimpft werden auch die Führer von Saudi-Arabien, König Hussein von Jordanien, König Hassan II. von Marokko, der ägyptische Präsident Mubarak sowie Irans Erzfeind, der irakische Präsident Saddam Hussein.

Die irakische Regierung hat die iranische Führung inzwischen aufgefordert, Frieden zu schließen. Die iranische Widerstandsorganisation der Volksmudschaheddin gab unterdessen bekannt, sie stelle ihre außerhalb Irans erscheinenden Zeitschriften sowie ihre von Irak aus ausgestrahlten Fernsehsendungen ein. Der Rundfunk setze seine Hörfunkprogramme jedoch fort. Aus Diplomatenkreisen in Bagdad verlautete, die Maßnahme sei offensichtlich auf Anordnung der irakischen Regierung erfolgt, die damit guten Willen demonstrieren wolle.

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