: Der Verleger als Anwalt
■ Das 31. Mitglied im CULTURECLUB: Helmut Donat, der über den Pazifismus zum Verlegen kam
Ob man sich das Programm seines Verlages ansieht oder überlegt, wieso aus dem Ex-Geschichtsstudenten 1984 ein Bremer Verlagsgründer wurde, ob man mit ihm über Aufrührer der Bremer Kirchengeschichte wie Emil Felden plaudert oder über Tucholsky und seinen pazifistischen Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne, es geht immer wieder um das eine. Also frage ich, (sofasitzend in seinem spitzwegösen Borgfelder Dachzimmer), ihn, (allda Milch und und Schokoröllchen mit mir teilend), nach diesem einen: „Was hast Du eigentlich immer mit diesem Pazifismus?“
„Das will ich Dir mal erklären“, beginnt er etwas, das länger dauern wird. Helmut Donat ist ein detailreicher und -genauer Bogenredner, der irgendwann, wenn frau es schon gar nicht mehr ahnt, eine Frage beantwortet hat. Mit dem Pazifismus ist es so, daß der Geschichtsstudent sich, mehr oder minder eigenbrödelnd auf die Suche nach den Gründen für 1933 gemacht hatte. Und sie im deutschen Sonderweg fand, der Entfaltung eines aggressiv-militaristischen Nationalismus, der mit der Reichsgründung 1971 in seine entscheidende Phase geriet und in der Selbstzerstörung der
Weimarer Republik kulminierte Als er in Antiquariaten auf Schriften der ersten Friedensbewegung stieß, war das für ihn das Aha-Erlebnis. Er fand seine Kritik am Militarismuskomplex bestätigt und mehr. Das notwendige Wissen für eine gesellschaftliche Al
ternative war da, nur vergessen und verdrängt. Helmut Donat stöberte in Antiquariaten, dann in Archiven auf, was zu dieser verschollenen Literatur gehörte. Grundriß und -stock der Verlagsarbeit entstanden da. „Das besondere bei mir ist, ich habe eine
historische Systematik im Kopf“, sagt er, und das stimmt. Was kein Verlag drucken wollte, als Donat Ende der 70er „mit einem Köfferchen“ loszog, es unters Volk zu bringen, veröffentlichte er dann eben selber.„Für mich ist die Verlagsarbeit entstanden, das
wollte ich sagen, um das Vergessene und Verdrängte zu veröffentlichen.“ Das also wollte er sagen. So enstand sein erstes Buch, „Auf der Flucht erschossen,“ von dem zum Pazifisten bekehrten wilhelminischen Marineoffizier Paasche.
Donat hat etwas Unbeirrbares an sich, das selten wird. Enthalten eine Prise Missionar, eine Prise Anwalt für das Verdrängte und Vergessene, einer, der sich schwer umsehen würde, wenn das Vergessene auf einmal in den zeitgeistigen Erfolgsstrom geriete. Mit dem Pazifismus ist das jedenfalls, trotz Friedensbewegung, nicht passiert. Die und die Linke, verdrängen, sagt er, die (erste) Friedensbewegung ebenfalls.
Und wie hältst Du's mit dem Geld, Anwalt des Vergessenen? Die Mehrzahl der Titel aus dem ehemaligen Verlag Donat & Temmen (vgl. taz v. 10. 5.89) werden im Donat Verlag weitergeführt, weil Helmut Donat sie „gemacht“ hat. Gibt das ein ausreichendes Polster an Einkünften? Nein, sagt er, viele seien doch sehr spezielle Titel. Den, der immer noch gut geht, der Lukanga Mukara von Hans Paasche, hat er in Lizenz an den Goldmann-Verlag verkauft. Der Erlös sichert die Produktion der nächsten fünf Bücher. Die letzten beiden Jahre hat Donat weniger für Verlag und v.a. Vertrieb getan, merkt das auch finanziell. Er hat als ABM-Kraft ein Inventar zur Geschichte der Bremer Friedensbewegung für das Bremer Staatsarchiv gemacht und zum gleichen Thema eine Ausstellung mit vorbereitet, die am 1. September eröffnet werden soll, aus Anlaß zweier Weltkriegsanfänge. Auch das Begleitbuch zur Ausstellung wird im Donat-Verlag erscheinen.
Und sonst? Warum hat er - ich habe inzwischen den Prospekt der neuerschienenen und geplanten Bücher durchgesehen lauter spezialdemokratisch Staatstragende im Programm? Er begründet das jeweils neu. Klaus Wedemeiers Rede zum Historikerstreit komme in den geplanten Band Auschwitz erst möglich gemacht? , weil in dieser Frage kaum ein anderer Politiker so entdeutig Stellung genommen habe. Und der
geplante Band mit Aufsätzen von Hans Koschnick zu Christentum, Judentum und Politik? Hat sich aus einem Gespräch ergeben anläßlich der Herausgabe eines Bandes über die Bremer Kirchengemeinden, Von Abraham bis Zion, wo Donat Koschnik nach einer umstrittenen, in Polen gehaltenen Rede gefragt habe, die dann nicht verfügbar war.
Die nächsten Projekte, auf die er sich freut? Die Herausgabe einer Biografie der Bremer Frauenrechtlerin Auguste Kirchhoff und der Aufzeichungen eines Krupp -Direktors 1912-1914 Wilhelm Muehlon. Warum die? Nu, weil die eine international bekannte Pazifistin war und der andere ein interner Kronzeuge für die deutsche Kriegsschuld. Dessen Verheerung Europas war 1917 in der Schweiz erschienen und, nachdem der Verfasser als anstaltsreifer Irrer gehandelt worden war, eingestampft. Eben: Verdrängt und vergessen.
Uta Stolle
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