piwik no script img

Mit beiden Füßen fest auf der Grundlinie

Tennistrainer Nick Bollettieri und seine Zöglinge / Der „Verheizer“ hat Erfolg mit Agassi und Seles  ■  Aus Paris Matti Lieske

Stolz wie Oskar lümmelt sich Nick Bollettieri auf der Tribüne, wenn die Absolventen seiner in Bradenton (Florida) befindlichen Tennis-Akademie unten auf dem Platz fleißig Punkte sammeln. Wer ihn nicht kennt, den Mann mit der Gigolo -Sonnenbrille am gelben Bändchen, der seinen graumelierten, sportlich, aber wohlgerundeten Oberkörper kühn entblößt der Sonne aussetzt, sobald die Temperaturen über null Grad steigen, würde kaum glauben, daß es sich bei dieser Karrikatur eines pensionierten Papagallo um einen der erfolgreichsten Tennistrainer der Welt handelt.

Lange Zeit galt der 58jährige als Produzent vielversprechender Supertalente, die den Sprung in die absolute Elite dann doch nicht schafften: Aaron Krickstein, Jimmy Arias, Paul Annacone, Kathy Horvath. Mit Andre Agassi wurde alles anders. Seit der, stets gutgelaunt, die Weltspitze stürmte, ist Bollettieris Schule, auf der neben 150 bis 200 Talenten auch der gewöhnliche Dilettant, sofern er genug Dollars hinblättert, die Geheimnisse des Tennissports ergründen kann, in aller Munde.

Und die Woge des Erfolgs schwappt weiter. In Paris sorgte diesmal nicht nur Agassi für Bollettieri-Publicity, sondern auch dessen Kommilitone Jim Courier (18), der seinen berühmten, ein Jahr älteren Mitschüler respektlos in der 3.Runde aus dem Turnier warf. Dazu kam Bollettieris größte Entdeckung, die 15jährige Monica Seles, die unaufhaltsam ins Halbfinale stürmte. Grund genug für Mister Bollettieri, stolz zu sein, auch wenn seine Lehrmethoden nicht überall auf Wohlwollen stoßen. „Bollettieris Leute können nur Grundschläge“, nörgelte beispielsweise Martina Navratilova und hat ohne Zweifel recht.

Andre Agassi, der sich in seiner Freizeit mit Bibellektüre zu neuen Großtaten aufputscht, würde wohl eher Wasser in Wein verwandeln, als daß er freiwillig ans Netz ginge; und Monica Seles scheut Volleys wie die Fliege die Klatsche. Es drängt sich förmlich das Bild auf, wie die Eleven der für ihre rigide Disziplin berüchtigten Akademie von gestrengen Lehrern mit der Nilpferdpeitsche traktiert werden, wenn sie sich dem Netz auf mehr als drei Schritte nähern.

Doch so schlimm soll es gar nicht sein, versichert Seles: „Die Schule ist kein Militärcamp, wie manche Leute sagen.“ Ihr jedenfalls gefiele es dort sehr gut, und den anderen Kids, wie sie glaube, auch. Das ist anzunehmen, denn für die Unzufriedenen und Aufmüpfigen gibt es ohnehin keinen Platz in Bradenton. Entweder suchten sie selbst das Weite, oder sie fliegen schlicht raus. Widerspruchsgeist ist keine Tugend, die von Nick Bollettieri geschätzt wird. Es bleiben die Braven und Ehrgeizigen wie Agassi, der findet, ein Trainer, den man respektiere, können einen gar nicht „hart genug anfassen“. Oder wie Monica Seles (15), die strenge Disziplin positiv findet, „weil sie die Kinder von Drogen und Alkohol fernhält“.

So üben sie also, mit beiden Füßen fest auf der Grundlinie stehend, ihre Vorhand und ihre Rückhand, bis sie sie besser beherrschen als irgendwer sonst auf der Welt. Seles brauchte im Viertelfinale der French Open ganze sechs Spiele, um mit ihren knalligen Schlägen die erfahrene Manuela Maleeva, neunte der Weltrangliste, vollständig zu entnerven. Die schmächtige Jugoslawin mit dem glucksenden Lachen ist ohne Zweifel Bollettieris glänzendstes Juwel, ihre schon erkennbar starke Persönlichkeit läßt allerdings vermuten, daß sie seinen Fittichen bald entwachsen sein wird, zumal sie einen wesentlichen Grundpfeiler des Weltbildes ihres Mentors ganz und gar nicht verstanden hat.

Wie sonst wäre wohl folgende Aussage zu erklären: „Ich habe keine Ahnung, wieviel Preisgeld ich bekomme. Ich spiele nicht für Geld und werde es nie tun. Ich habe nicht wegen des Geldes mit dem Tennis angefangen, sondern wegen der Liebe zum Spiel. Wegen Geld zu spielen bedeutet den Tod des Tennis.“ Da wendet sich Nick mit Grausen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen