: „Das hat nichts mit Sozialismus gemein“
■ Die Regierungen sozialistischer Länder distanzieren sich weitgehend von den Pekinger KP-Putschisten Kuba empfängt chinesischen Außenminister Qian Qichen / Proteste auch in Jugoslawien und Polen
Berlin (ap/afp/dpa/taz) - Regierungen und kommunistische Parteien in Osteuropa begannen sich gestern von den Massakern in Peking zu distanzieren. Als erster Chef einer kommunistischen Partei im Ostblock hat Karoly Grosz von der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) die blutige Niederschlagung der Demokratiebestrebungen in China scharf kritisiert. Grosz erklärte in einer von der amtlichen Nachrichtenagentur 'mti‘ verbreiteten Stellungnahme „namens der Führung und der Mitglieder der USAP, daß wir Gewalt und Bruderkrieg zutiefst verurteilen“. Er fügte hinzu: „Diese Methoden haben nichts mit Sozialismus gemein.“
Die übrigen Ostblockländer verhalten sich unterschiedlich. Die sowjetische Parteizeitung 'Prawda‘ hat am Donnerstag Verständnis für die militärische Niederschlagung der Demonstrationen für Demokratie in China geäußert, jedoch gleichzeitig erklärt, die „dramatischen Ereignisse“ würden auf dem Gewissen der chinesischen Führung lasten. „Ich denke, daß der Armee-Einsatz zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung eine ebenso extreme Maßnahme wie die Amputation eines Beines ist“, heißt es in dem ersten Kommentar der 'Prawda‘ nach den Ereignissen vom Wochenende. Die Volkskammer der DDR hat die Ereignisse in Peking jedoch verteidigt. In einer Erklärung hieß es wörtlich: „Die Abgeordneten der Volkskammer stellen fest, daß in der gegenwärtigen Lage die von der Partei- und Staatsführung der Volksrepublik China beharrlich angestrebte politische Lösung innerer Probleme infolge der gewaltsamen, blutigen Unruhe verfassungsfeindlicher Elemente verhindert worden ist. Infolgedessen sah sich die Volksmacht gezwungen, Ordnung und Sicherheit unter Einsatz bewaffneter Kräfte wieder herzustellen.“
In Jugoslawien und Polen protestierten unterdessen Menschenrechtsorganisationen gegen das Massaker. In einer von der jugoslawischen Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ veröffentlichten Erklärung zeigten sie sich „zutiefst bestürzt“ über die Brutalität, mit der die „Oligarchie des Staats, der Partei und der Armee“ auf die „noblen Forderungen der Studenten nach mehr Demokratie, Freiheit, politischer Kultur und Brot“ reagiert hätten.
Vietnam hat sich dagegen gewehrt, als Befürworter des Blutbads von Peking dargestellt zu werden. Ein Sprecher des Außenministeriums in Hanoi sagte nach einer Meldung der Nachrichtenagentur 'vna‘ vom Mittwoch, Vietnam bedauere das Blutvergießen. Unter größter Diskretion ist der chinesische Außenminister Qian Qichen in der kubanischen Hauptstadt Havanna eingetroffen. Kuba hatte sich bislang jeglichen offiziellen Kommentars über die blutigen Ereignisse der letzten Tage enthalten.
J.K.
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