: „Postkontrolle“ und „Unredlichkeit“
Geharnischte Töne im Untersuchungsausschuß zum Gladbecker Geiseldrama / Opposition wirft SPD Behinderung vor / Ausschußvorsitzender (FDP) wehrt sich gegen „Postkontrolle“ ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Das Parteiengezänk um den Düsseldorfer Untersuchungsausschuß zur Gladbecker Geiselaffäre gewinnt täglich an Schärfe. Am Donnerstag forderte der SPD-Fraktionsvorsitzende Friedhelm Farthmann den Ausschußvorsitzenden Heinz Lanfermann ultimativ auf, seine Vorwürfe gegen die SPD und den Landtagspräsidenten „in aller Form“ zurückzunehmen. Geschehe das nicht, werde er als Vorsitzender „wegen Unredlichkeit abgewählt“.
Lanfermann hatte tags zuvor dem SPD-Landtagspräsidenten Denzer vorgeworfen, eine „Postkontrolle“ auszuüben. Diese Beschuldigung war von Denzer umgehend als „falsch und ehrenrührig“ zurückgewiesen worden. Tatsächlich legte Lanfermann zwei an ihn gerichtete Briefe von Innenminister Schnoor vor, die mit Vermerken des Landtagsdirektors Große -Sender versehen sind. Aus dem Vermerk „im Einvernehmen mit dem Präsidenten“ schließe er, so Lanfermann, daß der Landtagsdirektor sich mit dem Präsidenten ins Benehmen setze, ob Briefe an ihn weitergeleitet würden oder nicht. Wenn jetzt die SPD wegen des Vorwurfs der Postkontrolle eine Entschuldigung verlange, dann sei das absurd, denn „der Präsident und seine Mitarbeiter haben nichts auf Briefe zu schreiben, die an mich gerichtet sind“. Der Landtagspräsident gehe „unerträglich“ mit ihm um.
Tatsächlich waren die Schnoor-Briefe an Lanfermann von dem Innenminister über den Landtagspräsidenten gesandt worden. In einem Begleitbrief bat Schnoor Denzer darum, die Schreiben an den FDP-Mann zu „übermitteln“. Dieser umständliche Weg erklärt sich aus der Rechtsauffassung Denzers: Er ist der Meinung, daß die Post an den Untersuchungsausschuß, wie bei den anderen Ausschüssen auch, über ihn als den Repräsentanten des Landtags zu gehen habe.
Das Ultimatum der SPD wertete der CDU-Obmann im Ausschuß, Herbert Doppmeier, als Versuch, den Vorsitzenden und die Opposition „weichzuklopfen“. Die SPD habe „mit ihrer Mehrheit bisher die ordnungsgemäße Arbeit des Untersuchungsausschusses systematisch zu unterlaufen versucht“. Mit ihrem Vorgehen legten die Sozialdemokraten „die Axt an die Wurzeln des parlamentarischen Systems“.
Dem aktuellen Streit um die Postkontrolle war eine scharfe Auseinandersetzung um den von der SPD geforderten Zwischenbericht vorausgegangen. Am Donnerstag erhob die SPD einen Bericht des Ausschußassistenten zum offiziellen Zwischenbericht. Darin wird Schnoor quasi von jeder Verantwortung für den Ausgang des Geiseldramas freigesprochen.
Der Bericht des Ausschußvorsitzenden Lanfermann, der Schnoor zumindest „mittelbar“ auch „persönlich“ für den Einsatzablauf „verantwortlich“ macht, wird von der Opposition nun als Minderheitenvotum eingebracht. Am liebsten hätte die Opposition ganz auf einen Zwischenbericht verzichtet, den die SPD, so CDU-Mann Doppmeier, nur durchgesetzt habe, um Schnoor einen „Persilschein“ auszustellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen