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UND MIT DEINEN GEISTERN

■ Kleiner spiritueller New-Age-Spuk auf dem Kirchentag

„Die Kirche hat ihr religiöses Monopol verloren. Religion und Kirche sind nicht mehr identisch!“ Pfarrer Gottfried Kuenzlen aus Stuttgart ist besorgt darüber, daß sich die neuen Formen von Spiritualität allesamt außerhalb der Kirche entwickeln. Mit der Angst, daß schon bald auch der/die letzte GottesdienstbesucherIn lieber zum Meditations -Workshop oder zur Reinkarnationstherapie eilen könnte, steht er nicht allein. Deshalb gibt es auf dem Kirchentag den thematischen Schwerpunkt „Dialog und Apologetik“ - auf deutsch: Austausch mit anderen Glaubensrichtungen und Verteidigung des christlichen Glaubens.

Indessen: ein Dialog fand nicht statt. Im Zentrum der Diskussion „New Age und Kirche“ stand die Rechtfertigung und das Rechthaben des Christentums. So groß ist offensichtlich die Angst der KirchenvertreterInnen vor der Dynamik des New Age, daß sie es nicht wagten, eine leibhaftige VertreterIn dieser Strömung zu ihrer Podiumsdiskussion einzuladen. Man blieb lieber unter sich und führte eine Diskussion über New Age.

„Wir sollten uns um ein inneres Verstehen bemühen - was leistet New Age für den einzelnen?“, appellierte Pfarrer Kuenzlen, Referent am Zentralinstitut der Evangelischen Kirche für Weltanschauungsfragen, an sein Publikum. Aber seine weiteren Ausführungen offenbarten, daß er seinem eigenen Anspruch nicht gerecht wird und zwar viel gelesen, aber nur wenig von New Age verstanden hat: New Age suggeriere, spirituelle Erfahrung sei durch bestimmte Techniken machbar; die Komplexität des modernen Lebens werde angenehm reduziert für diejenigen, die sich leiten ließen von Tarot-Karten, Sternen und Geistern, das kleine Ego, mit dem man nur schwer zurechtkomme, könne man loswerden im kosmischen Ich.

Kein Widerspruch aus dem Publikum gegen Kuenzlens grob vereinfachende Darstellung. Und über seine einzige interessante These, New Age passe stromlinienförmig in unsere Zeit, gebe der Kritik an unserer Zeit Stimme und bleibe ihr doch verhaftet, ließ sich auf dieser Diskussion nicht streiten, da man auf kompetente Insider ja verzichtet hatte.

So avancierte unversehens Gerhard Breidenstein, Pfarrer und Religionslehrer aus Dortmund, zum zwar kundigen, aber außenstehenden New-Age-Anwalt. Er erläuterte dem staunenden Publikum, daß es sehr viele verschiedene Strömungen im New Age gebe, daß keinesfalls die Mehrheit meine, mit dem Wassermannzeitalter breche quasi automatisch die „große Harmonie“ (Kuenzlen) aus. Auch sei es nicht Ziel, das Ego auszulöschen - im Gegenteil, es solle zwar entwickelt, aber nicht zum Kult erhoben werden. Laut New-Age-Theoretiker Fritjof Capra finde in der Naturwissenschaft und in der Gesellschaft zur Zeit ein Paradigmenwechsel statt: der Mensch müsse sich einfügen in die Natur und runter vom Thron, auf den gerade auch der christlich-jüdische Glaube ihn gesetzt habe. Deshalb sei New Age bereit, von Buddhismus und Hinduismus zu lernen. Es entwickle sich - so Breidenstein - allmählich eine neue Kultur, z.B. in der Frauen- und Ökobewegung, die die alten Denk- und Verhaltensweisen - „Gott sei Dank!“ - radikal in Frage stelle.

„Ich bin wütend! Ich leide unter ihren Schlagworten!“ Susanne Heine, Professorin für Religionspädagogik aus Wien, hatte es als einzige Frau auf dem Podium schwer. Sie wollte „auf der Basis der Humanität und des Pluralismus“ dialogisieren und auch Verbindendes zwischen New Age und Christentum entdecken. Aber da war sie bei den Herren der Schöpfung an der falschen Adresse. Vorsichtig wies sie darauf hin, daß nicht nur New Age schwierig zu verstehen sei, sondern auch das Christentum. Als sie bekannte: „Ich habe jahrelang nicht verstanden, was das heißen soll 'Jesus ist die Liebe'“ kam prompt der Zwischenruf „Darum geht es doch gar nicht!“ Ein junger Christ, mit dem Holzkreuz auf der Brust, war sich da seiner Sache sehr sicher.

Die wenigen im Publikum, die den Gedanken des New Age nahestanden, meldeten sich inmitten dieses Übermaßes an Überheblichkeit und Ignoranz nicht zu Wort. Christen, die am Erfahrungs- und Ideenaustausch interessiert sind, trafen sie hier leider nicht. Keine Erkenntnisfreude, keine Sensibilität, und nicht einmal Neugier konnte man entdecken. Statt dessen beherrschte das engstirnige Milieu der kirchlichen Diskussion über „Sekten“ den Saal. So war es auch kein Zufall, daß der Moderator der Veranstaltung der Sektenbeauftragte aus Bonn war. Zum Schluß forderte dieser dann alle auf, sich zu erheben und gemeinsam das „Vater unser“ zu beten. Die Idee, daß Leute im Saal sein könnten, die da nicht mittun wollen, weil dieses Ritual ihnen widerstrebt, kam ihm nicht in den Sinn.

Gunhild Schöller

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