piwik no script img

Wer steckt hinter den „Steckbriefen“?

■ Senats-„Steckbriefe“, geklebt in der Nacht zum Donnerstag, stammen von Rechtsradikalen Verbindungen zur Jungen Union / Die Polizei will von sich aus nicht ermitteln

In verschiedenen Bezirken der Stadt haben in der Nacht zum Donnerstag offenbar rechtsradikale Jugendliche Plakate geklebt, die als Steckbriefe aufgemacht waren. Unter der fetten Überschrift „Belohnung!“ sind auf dem Plakat acht Personen abgebildet: Der Regierende Bürgermeister Momper, die SPD-SenatorInnen Pätzold, Nagel, Wagner und Martiny sowie die AL-PolitikerInnen Klein, Schramm und Ströbele. Noch beim Kleben dieser Plakate wurde Donnerstag nacht ein Trupp von sieben Männern im Alter zwischen 22 und 26 Jahren von der Polizei zur Feststellung der Personalien vorübergehend festgenommen. Plakate dieser Machart sind im Wedding, Charlottenburg, Steglitz, Wilmersdorf und Lichterfelde aufgetaucht. In den Bildunterschriften wird etwa Walter Momper „gesucht wegen: massiven Wahlbetrugs und Wählertäuschung. Besonderes Kennzeichen: kurze Beine.“ Zu Pätzold heißt es: „Bekannt unter dem Namen Terror-Pätzold. Gesucht wegen Gefährdung der inneren Sicherheit, Körperverletzung in 335 Fällen sowie Begünstigung von Straftätern.“

Bereits während den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und AL waren ähnliche Flugblätter in der Stadt aufgetaucht. Sie zeigten den Regierenden Bürgermeister Momper als verzerrte Karikatur mit der Unterschrift: „Vorsicht, dieser Mann lügt, betrügt, täuscht!“ Dasselbe Flugblatt wurde auch am vergangenen Samstag bei der Kundgebung gegen das Tempolimit auf der Avus vor dem Reichstag von jungen CDUlern und „Republikanern“ verteilt. Verantwortlich für dieses Flugblatt zeichnet ein „Büro für notwendige Maßnahmen“ mit Adresse in Spandau, Borkzeile 15. In diesem Haus gibt es zwar kein solches Büro, wohl aber ist es der Wohnsitz des früheren Vorsitzenden der Jungen Union, Dombrowski. Dieser arbeitet heute in der CDU-Landesgeschäftsstelle und ist nebenbei noch für die stramm antikommunistische „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“ tätig. Zwar bestreitet Dombrowski, etwas mit der Hetzaktion zu tun zu haben, findet die Plakatierung der Steckbriefe aber „ganz witzig“.

Ex-Bürgermeister Diepgen verurteilte dagegen gestern die Plakate als „ehrabschneidend und geschmacklos“, und die Junge Union distanzierte sich gar „mit aller Entschiedenheit“ von der „wilden Klebeaktion“. Sie empfiehlt den Klebern der Plakate, „ihre Kreativität in Zukunft vernünftig einzusetzen, zum Beispiel beim Aufbau einer Kabarettgruppe.“

Die Polizei hat von sich aus noch kein Ermittlungsverfahren gegen die Kleber in Gang gebracht. „Es handelt sich nach unserer Meinung nicht um ein Offizialdelikt, sondern um ein Antragsdelikt“, erklärte die Polizei gegenüber der taz. Das sieht der geschäftsführende Landesvorsitzende der SPD, Lorenz, allerdings anders. Für ihn ist die Plakatierung nicht nur Verleumdung, sondern sie erfülle auch den Tatbestand der Volksverhetzung. Und Volksverhetzung ist eben doch ein Offizialdelikt, bei dem die Polizei ein Strafverfahren einleiten muß.

-time

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen