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Herrhausen: „Mehr Drive“

■ Die Nummer 1 der bundesdeutschen Geldhäuser ist bislang noch recht bodenständig und fühlt noch großen Nachholbedarf für Europa

Teil 19: Klaus-Peter Klingelschmitt und Ulli Kulke

Alfred Herrhausen will sich dem „Zeitgeist“ nicht anschließen, der überall Schwierigkeiten, Fehler und Versäumnisse wittere, bekannte er vor den anwesenden Eignern seines Hauses. Das Schreckgespenst der inzwischen älter gewordenen Berufspessimisten aus der linken Ecke schob der Vorstandssprecher der Deutschen Bank auf der Aktionärsversammlung im Mai mit dem schlichten Hinweis auf den eigenen Nachwuchs beiseite. Denn immerhin reife da in den Großbanken und auf den Börsengängen eine junge Generation heran, „die tüchtig, fleißig, bereit, die einsatzwillig und weltoffen ist“.

Die Dynamik, die Herrhausen an die Wand malt und für sein Haus in Anspruch nimmt, ist indes nicht nur Zeichen übergroßer Selbstsicherheit in Zeiten blühender Konjunktur vor allem in den bundesdeutschen Großbanken. Sie ist eher Antwort auf weniger wohlwollende Einschätzungen, die genau die Deutsche Bank betreffen und die beileibe nicht aus einer altgewordenen linken Ecke kommen. Die Fachpresse beurteilt nämlich bisweilen die Ausgangsbasis der größten deutschen Bank gar nicht mal so rosig, wenn es zum Thema kommt: Der Wettlauf nach Europa 1992. Die Mannschaft in den Doppeltürmen steht im Ruf einer beispiellosen Finanzkraft, aber auch eines Managements, das den neuen internationalen Aufgaben gegenüber noch nicht gewappnet ist: „Zu wenige international ausgerichtete Manager, schwach ausgeprägtes Unternehmertum, mäßiges Innovationsimage“ urteilte so das 'Manager-Magazin‘ jüngst in einer Unternehmensanalyse.

Schmerzlicher noch dürfte die Beurteilung treffen, die nun gar nicht dem gesamteuropäischen Zeitgeist entsprechen: „Marktdurchdringung europaweit relativ gering“, und vor allem am Euro-Fusionsgeschäft, dem „Mergers and Acquisitionsgeschäft“ sei man „relativ schwach“. Und Literaturprofessorin Getrude Höhler, die die Bank als ihre Beraterin für Kommunikationsberaterin leistet, kommt zu dem Schluß: „Hier herrscht ein autoritärer Führungsstil, der durch spezielle Deutsche-Bank-Tugenden verschleiert wird: Anpassungsbereitschaft und Unterordnung gelten hier als Erfolgsgarantien für Nachrücker“. Herrhausens inoffizielle interne Version lautet denn auch: „Wir brauchen mehr Geschwindigkeit, mehr Drive“.

Die Deutsche Bank ist bislang in der Tat eine deutsche Bank. Hierzulande wird das Geld verdient. 83 Prozent des Betriebsergebnisses wird in der Bundesrepublik erwirtschaftet - besonders profitabel, denn dafür wird nur 62 Prozent des weltweiten Konzern-Geschäftsvolumens von über 300 Milliarden Mark eingesetzt (beim Commerzbank-Konzern kommt der Ertrag beispielsweise nur zu zwei Drittel aus dem Inlandsgeschäft). Das Wertpapiergeschäft ist auf den inländischen Markt ausgerichtet, im Eurodollar-Markt spielt man eine untergeordnete Rolle. Und während andere Banken im Laufe der 80er Jahre an der internationalen Börsenhausse ihr Scherflein verdient haben (eigene Spekulation und Provisionen bei An- und Verkauf), die deutsche Nr. 1 mehr als alle anderen am traditionellen Bankengeschäft verdient: Sicht- und Spareinlagen, die natürlich besonders zu Zeiten hoher Zinsen und vor allem hoher Differenzen zwischen Einlagen- und Kreditzinsen lukrative Auswirkungen hatten. 5,5 Millionen Privatkunden brachten die Bank in den letzten Jahren von Rekordergebnis zu Rekordergebnis, indem sie 73 Prozent aller Einlagen bestritten und 51 Prozent der Kredite in Anspruch nahmen.

Die Zeiten der lukrativen Zinsschere sind nun seit einiger Zeit in der Bundesrepublik vorüber, und da wird der Deutschen Bank ihre zweifach ungünstige Abhängigkeit bewußt: Inlands- sowie Einlagen- und Kreditgeschäft. Der kürzlich verkündete Einstieg ins Versicherungsgeschäft mag den Claim der Deutschen Bank im bundesdeutschen Kapitalmarkt vergrößern. Die Internationalisierung der Finanzmärkte, etwa durch den Big Bang in Londons City oder auch die Deregulierungs-Tendenzen in Amerikas Bankenwelt, all das macht der Deutschen Bank nun deutlich, daß sie zwar die Nr. 1 in der Heimat, in Europa aber schon nicht mehr „Spitze“, und weltweit sogar nicht mal mehr unter den ersten zehn aufgelistet ist, was das Geschäftsvolumen angeht.

Ein Nahziel ist es nun, verschärft an der „Kon-Fusion“ im Binnenmarkt teilzuhaben. Nachdem allein in der Bundesrepublik das Geschäft mit der Beratung und Unterstützung beim Kauf und Verkauf von Unternehmen im vergangenen Jahr 28 Millionen Mark an Honoraren und Provisionen eingefahren hat, wäre es doch gelacht, wenn da nicht europa- oder gar weltweit noch erheblich mehr herauszuholen ist. Unter dem Namen „DB Mergers und Acquisitions“ (M&A) will man in den nächsten Monaten Büros für Unternehmensan- und -verkäufe in Paris, London, Mailand, Madrid und Tokio eröffnen, in New York steht es bereits. Parallel dazu beackert die Firma Roland Berger (zu 75 Prozent im Besitz des Hauses) dasselbe Feld - Konkurrenz belebt das Geschäft. Bis Ende dieses Jahres soll nun auch dieser Name in jeder europäischen Metropole mit einer Niederlassung präsent sein. Daß hier die Deutsche Bank gegenüber eingesesseneren Markthasen einen Informations-Lag zu schließen hat, ist auch Herrhausen klar. Auf der Hauptversammlung zeichnete er denn auch vor, auf was es jetzt besonders ankommt: Ein hauseigenes globales Informationsnetz muß her, „Wissensgestützte Systeme“ und „Mobile Intelligenz“ ist gefragt. „Der tragbare PC wird zum Standardwerkzeug unserer Berater werden“ - eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber offenbar noch ein Defizit, wie das 'Manager-Magazin‘ mit seiner Zensurvergabe „zu geringer Technikeinsatz“ bestätigt.

Europapolitik der Bank heißt jedoch nicht nur Beratung mit dem Ziel, Provisionen zu kassieren. Zwar hat man in der letzten Zeit Filialen in Argentinien, Brasilien, Indonesien, Japan und Indien gegründet. Nachdem jedoch Unternehmensberater von McKinsey mangelnde Klarheit in der Unternehmensstrategie konstatierten, stehen seit kurzem die Präferenzen Herrhausens fest: Vorrang hat jetzt der direkte Zukauf auf dem EG-Binnenmarkt, mit Abstand erst danach kämen die USA und die pazifische Region. Ein „breites eigenes Niederlassungsnetz“ in Europa schwebt den Bankern aus Frankfurt vor, nicht etwa die Zusammenarbeit mit Partnerbanken. Beim Aufkauf der Konkurrenz im europäischen Ausland wollen die Banker aus Frankfurt - stets machtbewußt

-es natürlich nicht unter einer Mehrheitsbeteiligung machen, auch wenn dann „Objekte wie die Societe General in Frankreich nicht in Betracht kommen“, wie Vorstandsmitglied Horst Burgard eingestehen mußte.

Dafür gibt es genügend andere Anlagemöglichkeiten für die Kriegskasse der Deutschen Bank, und die passen sogar in ihre eher traditionell ausgerichtete Geschäftspolitik. Nachdem man bislang die Gründung eigener Filialen favorisierte etwa wie in London oder Brüssel - wird jetzt eingekauft. Die Mehrheitsbeteiligung an der Banca d'America e d'Italia (BAI) ist zukunftsträchtig: „Wir sehen unsere Chancen insbesondere im Massengeschäft. In einem Markt, in dem pro 100 Einwohner nur 28 Kontoverbindungen bestehen - in der Bundesrepublik sind es 84 -, gilt es, das vorhandene Marktpotential auszuschöpfen.“ Die Devise also auch hier für die Frankfurter: „Il Conto, per favore.“

In ihren Bedürfnissen zum Aufkauf scheinen sie derzeit ohnedies besonders auf Gelegenheitskäufe vor allem aus der südeuropäischen Transferliste zu setzen. Das portugiesische Wertpapierhaus MDM war dran, in den Niederlanden soll das Bankhaus H. Albert de Bary vollständig übernommen werden, und beim spanischen Bancotrans ging man auf dem Weg zur Mehrheitsbeteiligung so unsensibel vor, daß man mit der spanischen Zentralbank einen Schlichtungstermin ausmachen mußte: Die hat bis 1992 erst mal zehn Prozent der Anteile treuhänderisch von der Deutschen Bank übernommen, um deren Anteil bis zum gemeinsamen Markt wieder unter 50 Prozent zu drücken. „Im Rahmen der Europa-Strategie streben wir unverändert die Mehrheit beim Bancotrans an“, beschied Herrhausen dessen unbeschadet, und dagegen kann eben niemand etwas machen. Schließlich empfindet er ja auch die Frage „berechtigt“, ob die Machtfülle der Deutschen Bank nicht „die Grenze des Akzeptablen überschreitet“, schließt aber gleich die Frage an: Was werde denn besser, wenn man diese Gegebenheit ändere?

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