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Bonn apart: Julia Sachanowa / Frauenfest / IG Medien und Massaker in China / Rainer Barzel

Alle reden von Gorbatschow, wir reden von Julia Sachanowa. Die 17jährige Schülerin wurde zur sowjetischen Schönheitskönigin gewählt - was einmal mehr beweist, daß die Perestroika für die Emanzipation der Frauen ein schillernd Ding ist. Wie dem auch sei: Jedenfalls wartet Frau Bollmann von der Hamburger Werbeagentur „Knopf, Nägeli und Schnakenberg“ seit einer Woche vergebens auf einen Rückruf, obwohl ihr Anliegen „seriöser Natur“ ist. Ein „großer deutscher Optiker“ (na, welcher wohl?) möchte nämlich „ein Fotoshooting mit Frl.Sachanowa“ machen. Statt an die sowjetische Agentur 'Tass‘ schickte Frau Bollmann ihr seriöses Anliegen unglückerlicherweise in die feministischen Fangarme der taz. Wir bewahren die Genossin Sachanowa vor der kapitalistischen Vermarktung und einem Kassengestell und haben für den Spaß „noch nicht einmal etwas dazugezahlt“. ***

Die Berliner Landesvertretung in Bonn lädt zu einem „Frauenfest“: „200 Jahre Brüderlichkeit sind genug! Egalite

-Berlin setzt Zeichen“, so verspricht es die Einladungskarte. Als vor kurzem 94 Frauen ein Haus in Berlin besetzten, um ein Frauen- und Lesben-Zentrum einzurichten, wurde das schwesterliche Zeichen vom frauendominierten Senat genauso schnell abgeräumt wie alle brüderlichen zuvor. Die letzten 200 Jahre sind für Frauenfest-Gastgeberin Heide Pfarr „ein Grund zum Nachdenken“, die bisher 87 Tage Berliner Senat hingegen ein Grund zum „gemeinsam feiern“ mit „vielen Frauen aus Berlin“. Da kommt es ja auf die 94 wirklich nicht an. ***

Was den einen ihr Unglück, ist den anderen ihr Aufhänger. „Menschlich wie aktuell teilen wir Ihr Entsetzen um das Massaker in China. Bitte nehmen Sie uns ab, daß wir diesen unmenschlichen Vorgang nicht mißbrauchen wollen, um mit unserem Anliegen auf unsere innerdeutschen Brutalitäten als Folge eines unmenschlichen Scheidungsgesetzes zu kommen...“ Daß der „Bürgerbund gegen Scheidungsunrecht“ die politische Moral mißbraucht, um Bonner Journalisten zu seiner Pressekonferenz zu locken, sei ihm verziehen - jedoch nicht der brutale Umgang mit der innerdeutschen Sprache. Pressesprecher Jürgen Altmann, dem diese Mitteilung entgleiste, unterschreibt auch noch als „Journalist IG Medien“. Wir halten das für eine gewerkschaftsfeindliche Äußerung. ***

Rainer Barzel hat ein Buch herausgegeben: Die Sternstunden des Parlaments. Da staunt selbst die Alt-Heilige des Bundestags, Hildegard Hamm-Brücher: Das Buch hat 500 Seiten. Da wir auch das Bonner Telefonbuch nicht rezensieren, sei nur angemerkt: Regensburger Drucker mußten für das dringliche Werk Wochenendschichten schieben. Barzel brauchte nämlich ein Abiturgeschenk für seinen Neffen.

Charlotte Wiedemann

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