piwik no script img

„Der Ost-West-Dialog ist unteilbar“

Nach rumänischen Protesten wurde der Schriftsteller Richard Wagner vom Kirchentag ausgeladen  ■ I N T E R V I E W

taz: Der Kirchentag firmiert unter dem Etikett „Ost-West -Dialog“. Wie sehen Sie Ihre Ausladung zur gestrigen Rumänien-Veranstaltung?

Richard Wagner: Was heißt hier überhaupt Ost-West-Dialog? Darunter hat man sehr lange den offiziellen Dialog verstanden, d.h. die Mächtigen im Westen haben mit den Mächtigen im Osten verhandelt. Was mir jetzt passiert ist, ist eine typische Geschichte dieses alten sogenannten Ost -West-Dialogs, der ausschließlich mit der Nomenklatura läuft. Da einigt man sich eben auf Realitäten, und was nicht reinpaßt, wird kurzerhand rausgeworfen. Künftig muß es aber einen Dialog von Basis zu Basis geben. Auch die Evangelische Kirche hier muß das allmählich einsehen.

Sind die Kirchen in Osteuropa aber nicht Teil der Nomenklatura?

Doch, in gewisser Weise schon. Besonders in Rumänien sehe ich die Kirchen als offizielle Institutionen, und insofern sind auch deren Führungsspitzen Teil der Nomenklatura. Sie sind vom Ceausescu-Regime eingesetzt, um die Dinge im Sinne des Regimes zu leiten. Nach außen haben sie eine Beschwichtigungsrolle. In meinem Fall hat die evangelische Kirche in Siebenbürgen eben dafür gesorgt, daß Kritiker außen vor bleiben und Probleme einfach nicht auftauchen. Mich erstaunt aber, daß sich die evangelische Kirche im Westen hat einschüchtern lassen. Das zeugt von wenig Souveränität.

Zur Situation in der DDR ist dagegen auf einer Veranstaltung sehr kritisch geredet worden. Anwesend waren auch Vertreter der kritischen Kirchenbasis. Gilt für den Ost -West-Dialog zweierlei Maß?

Na ja, der DDR gegenüber hat man ganz andere Interessen, und außerdem liegt die DDR nahe vor der Tür. In der hiesigen Öffentlichkeit ist Rumänien aber sehr weit entfernt. Deshalb kann sich die Kirche auch ein solches Verhalten leisten, ohne daß gleich ein Aufschrei durch die Republik geht. Der Ost-West-Dialog ist in jedem Fall nicht teilbar. Man kann sich nicht bestimmten Ländern gegenüber, etwa der DDR oder Sowjetunion, offen und kritisch verhalten und andere Länder einfach ignorieren. Der Dialog taugt nichts, wenn er nicht in derselben Art und Weise für ganz Osteuropa gilt. Das hat sonst eine Spur von Unehrlichkeit. Ich habe auch den Verdacht, daß es mittlerweile schick ist, sich mit der Sowjetunion auseinanderzusetzen und Veranstaltungen mit kritischen Leuten aus der Sowjetunion zu machen. Das ist aber auch weniger gefährlich, denn diese Kritiker sind inzwischen angesehen und längst keine Unpersonen mehr. Will man aber mit rumänischen Oppositionellen reden, so legt man sich gleich mit dem Regime an. Das kostet etwas, möglicherweise eben die offiziellen Beziehungen.

Interview: bim

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen