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D O K U M E N A T I O N Unser Austritt aus dem VS

Mitteilung von vier SchriftstellerInnen  ■  hier bitte die Karikatur verbundene Hand rein

Zugegeben: keinem von uns fiel dieser Schritt leicht. Die europaweiten Konzentrationsprozesse auf dem Medienmarkt machten eine Interessensvertretung für Schriftstellerinnen und Schriftsteller nötiger denn je. Aber: Solidarität, die nur auf gemeinsamer Gegnerschaft beruht, ist keine wirkliche Solidarität, die Solidarität einfordern kann; und der VS wurde dieser Aufgabe der Interessensvertretung immer weniger gerecht. Er hat keine literarische, politische und moralische Identität mehr, die dessen Weiterexistenz rechtfertigen würde. Deshalb treten wir aus dem VS aus: nicht aus guten Gründen, sondern wegen der Überzahl schlechter Erfahrungen mit ihm:

-In wachsendem Maße wurden die SchriftstellerInnen im VS von „Berufsfunktionären“ an den Rand gedrängt, die sich mit ihrem gesicherten Einkommen als einzige VS-„Ehrenämter“ leisten können: von einer authentischen Interessensvertretung für HauptschriftstellerInnen kann in diesem Verband keine Rede mehr sein;

-in wachsendem Maße geriet der VS in die Hände einer wohlorganisierten Funktionärsschicht, die sich aus den Möchtegern-Kommunisten der DKP-Fraktion rekrutiert und deren ahnungslosen oder willfährigen Zuträgern: heruntergekommene Kader-Schlauheiten wurden immer stärker zum inneren Markenzeichen des VS;

-in wachsendem Maße wurde der VS mit anmaßender Schulmeisterei von Drupa-Funktionären konfrontiert: Solidarität verkam immer deutlicher zur Botmäßigkeit von VS -Vertretern gegenüber einem weitgehend desinteressierten Bonzentum; Solidarität erwies sich als zunehmend einseitiges Engagement von AutorInnen für ihre Drucker-und Setzer -KollegInnen; dies kritisieren wir nicht als Feinde der Gewerkschaft, sondern in Übereinstimmung mit ihren humanen und sozialen Ideen;

-in wachsendem Maße wurden wir Zeuge einer immer geölter betriebenen Intrigen-, Verleumdungs-und Selbstbestimmungsmaschinerie im VS: wer bei diesen Machenschaften keine Handlangerdienste leistete und stattdessen für Transparenz und Demokratie eintrat, für integres Verhalten und arglose Freundlichkeit, wurde mit steigender Unverfrorenheit an den Rand gedrängt und Opfer übler Lügenkampagnen. Viele von uns hat dies mehr und mehr abgestoßen und zu der Auffassung gebracht: lieber in keiner Gesellschaft sein als in dieser Gesellschaft. (...)

Was der VS nach außen hin fordert, mit großem Getöse oft oder telegener Besorgnis - integres Verhalten also, freundschaftliche Auseinandersetzung, rationalen Diskurs -, dessen Gegenteil betreibt er nach innen hin von Jahr zu Jahr mit immer größerer Frechheit: Fertigmache, Schiebungen, Verlogenheit. Wir geben zu, daß wir das nicht haben aufhalten und nicht mehr haben aushalten können. So gilt unsere Solidarität den vielen, die vor uns mürbe gemacht werden sollten, vor uns kaltgestellt wurden, vor uns keinen anderen Ausweg mehr wußten als den Weg aus dem VS. Möge der zu übermächtigem Zynismus herunterpolitisierte VS an seinen Schlauheiten zugrundegehen. Für seinen Namen geben wir unsere Namen nicht mehr her. gez. Inge Buck, Ursel Habermann, Bremen; Holdger Platta, Göttingen; Ulrich E.G.Schrock, Hameln; 31.Mai 1989

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