: SchriftstellerInnen verlassen das Schiff
■ Nun auch im Verband deutscher Schriftsteller Bremen/Niedersachsen Austritte
Seit Jahren schon rumpelt und pumpelt es im Bauch des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS), immer neue Brocken mehr oder minder zornroter Mitglieder werden durch den großen Austrittskrater geschleudert, immer nach dem Muster: Der „Gewerkschaftsflügel“, der zu guten Teilen aus Seilschaften von DKP-Freunden besteht, blieb drin, wer sich über seine Hermetik gegenüber Dissidenten aus der DDR und Osteuropa und über Seilschaftsdiktatur genug geärgert hatte, geriet erst an den Rand, in Resignation und irgendwann ins Aus. Die gingen, waren oft LyrikerInnen wie Anna Jonas, wer blieb und das Heft immer mehr in die Hand bekam, im Zusammenspiel mit Funktionären der Druckergewerkschaft, war oft Sachbuchautor, besser noch: Funktionär aus Leidenschaft. Auch von den vier neuerlich Ausgetretenen, Inge Buck und Ursel Habermann aus der Bremer Ortsgruppe und Holdger Platta und Ulrich Schrock aus dem niedersächsischen Landesverband, dem auch die Bremer Gruppe angehört, sind, mit Ausnahme von Ursel Habermann, die Kurzerzählungen geschrieben hat, alle LyrikerInnen. Die Gruppe der Resi
gnierten im Verband, und die der Ausgetretenen unterscheidet wenig. Nur, den Verband verlassen, bedeutet ein Schweben im sozialen Nichts, vor dem vielen graust. Auch Inge Buck, bis 1987 Vorsitzende der Bremer Ortsgruppe, und Ursel Habermann haben zuletzt zu den Resignierten gehört. „Seit zwei Jahren“, sagt Habermann, „bin ich zu keiner Veranstaltung mehr gegangen, dieser Umgang miteinander, überhaupt mit anderen Menschen, das muß ich mir nicht antun.“ Aus dem Literaturkontor, das sie mitgegründet hatte, war sie 1987 ausgeschieden, weil u.a. durch gezielte Neueintritte von (DKP-) Freunden Mehrheiten und damit Fakten geschaffen wurden, die sie nicht gemeinnützig finden konnte. Motto: „Wenn ihnen meine Nase nicht paßt, dann bekomme ich auch keine Lesung bewilligt.“ Und: „Ich bin gern bereit, mich Mehrheiten zu beugen, nur nicht immer derselben. Oder: nicht derselben Minderheit.“ Die Ausgetretenen nennen als Gründe die „heruntergekommenen Kaderschlauheiten der DKP-Fraktion und deren ahnunglosen oder willfährigen Zuträger “, ihre Intrigen- und Selbstbedienungsmaschinerie in Verbindung mit der
„anmaßenden Schulmeisterei der Drupa-Funktionäre“, die inzwischen auch die IG-Medien regieren. Als Lehrbeispiel für das Gemeinte sei eine Facette des Falles Holdger PLatta berichtet.
Platta beantragt 1988 800 DM (! ) vom Fördererkreis dt. Schriftstellerinnen und Schriftsteller Niedersachsen und Bremen für die Organisation des Göttinger Literaturfrühlings. Der Fördererkreis ist ein Ableger des VS, der im Unterschied zu diesem Landesmittel requirieren kann, um die 100.000 Mark im Jahr. Der Vorsitzende, Akad. Rat Dr. Burckhard-Garbe, lehnt ab, obwohl die Satzung ihn dazu verpflichten würde. Das gleiche nochmal 1989, diesmal geht es um 2000 Mark.
Platta hatte das Pech, der unterlegene Gegner von Volker Erhardt zu sein, der 1987 in Kampfabstimmung gegen Platta zum Landesvorsitzenden gewählt wurde und jetzt die Schriftsteller im Vorstand der IG-Medien vertritt. Platta, Vorstand der Göttinger Ortsgruppe und seit 1985 im Vorstand des Landesverbands Niedersachsen hatte sich als radikaldemokratische Minderheit unbeliebt gemacht. Mit Forderungen wie: mehr Information an die Mitglieder, Auslandsstipendien
nicht auskunkeln sondern ausschreiben, und die Landesvorstandssitzung auch mal ins Landesinnere verlegen.
Nachdem die Mehrheit des Vorstands aus Protest gegen die Minderheit zurückgetreten war, die sie zuvor immer mit 6:1 niedergestimmt hatte, wurde eine der 6 Mehrheitsstimmen zum neuen Landesvorsitzenden gewählt: Der Hamburger Berufsschullehrer Volker Erhard. Der hatte zwar nur per Trick einen Wohnsitz in Niedersachsen - aber dafür die massive Unterstützung des Drupa-Landesvorsitzenden Günther Radewich. „Der Autoritarismus der DKP-Leute ist den Gewerkschaftsbürokraten lieber als der radikal-demokratische Ansatz von uns“, erklärt sich Platta das Bündnis.
Stellungnahmen von Edith Laudowicz, einer der fünf VorständlerInnen der Bremer Ortsgruppe, zu den Vorwürfen der Ausgetretenen: Erstens: Keine Stellungnahme wg. „Schmierenjournalismus“ der taz. Zweitens: „Wieso grade ich, ich bin doch nicht der VS“. Drittens: Erst müsse das Kollektiv beraten und das kenne bisher weder wer noch warum der Austritte.
Uta Stolle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen