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Die einen stürmen, die anderen schießen Tore

■ Die Bundesrepublik verliert das Auftaktspiel mit 2:3 gegen Indien bei der Hockey-Champions-Trophy / Indischer Torwart war ein unüberwindbares Hindernis für den Ball auf seinem Weg ins Tor / Bandenwerbung gefährdet die Sicherheit der Spieler

Nicht ohne Turbulenzen verliefen schon die Vorbereitungen zum internationalen Hockey-Turnier der Herren vom 10. bis zum 18. Juni in Berlin. Pannengeplagt waren die Organisatoren, die vom Zusammenbruch des Computersystems bis zum Klau eines Lastwagens samt Pressezelt schon alles mitgemacht hatten; doch pünktlich am Samstag um 14.30 Uhr war alles zur Eröffnungsfeier und dem anschließenden Spiel zwischen der BRD und Indien bereitet.

Die sechs weltbesten Nationalmannschaften treten im Kampf um die Champions Trophy, einen 23 Kilogramm schweren und 40.000 Mark teuren Pokal aus Silber, gegeneinander an. Seit 1978 findet der Wettbewerb jetzt zum elften Mal statt, in der Bundesrepublik zum ersten Mal. Olympiasieger Großbritannien, Weltmeister Australien, Europameister Niederlande sowie Pakistan und Indien, die Hochburgen des Hockeys, werden harte Gegner für Titelverteidiger BRD, Silbermedaillengewinner von Los Angeles und Seoul, sein. Seit Seoul ist das Team von Klaus Kleiter um einige gute Spieler reduziert, die ihren Schläger an den Nagel hängten. Kleiter wäre schon mit einem dritten Platz sehr zufrieden.

Im Berliner Hockey-Olympiastadion sind die indische und die deutsche Nationalmannschaft schon seit 53 Jahren nicht mehr aufeinandergetroffen, die damalige Begegnung - beide Teams standen 1936 bei den Olympischen Spielen im Finale - endete 1:8 für Indien. In der Tat scheint das Stadion kein gutes Pflaster für eine derartige Begegnung zu sein.

Trotz ungebändigter Angriffslust der Kleiter-Schützlinge, der die Inder nur ein müdes Hin-und-Her-Getändel entgegensetzten, blieben unzählige Torchancen erfolglos, Pech und die indische Abwehr standen hartnäckig dagegen. Letztere riegelte ihren Schußkreis hermetisch ab, sobald ein deutscher Spieler in Sichtweite kam. Auch der indische Torwart erwies sich als unüberwindbares Hindernis auf dem Weg des Balles ins Tor.

Der Spieler mit der Nummer 11, Thomas Reck, sowie Stürmer -As Stefan Blöcher wären bei ihren allzu rasanten Angriffen beinahe Opfer der von einer großen deutschen Fluggesellschaft aufgestellten Spielfeldbegrenzung geworden; zwei Schritte hinter der Linie befand sich die bedruckte Barriere, die der Werbewirksamkeit den Vorrang vor der Sicherheit der Spieler gab. Reck konnte sich mit einem Satz über selbige hinweg noch in den Maschendrahtzaun retten; und das ist eben auch das Charakteristische an diesem Spiel: auf ausgefeilte Geschicklichkeit kommt es an.

Während die Spieler in atemberaubender Geschwindigkeit Doppelpaß an Doppelpaß reihten und beim Dribbling stets blitzschnell den Schläger drehten, da sie nach den Regeln nur mit einer Schlägerseite schlagen dürfen, dösten die Zuschauer, es waren kaum mehr als zweitausend, eher schläfrig vor sich hin. Nur ein Herr in Nadelstreifen verlor die Fassung und kollabierte fast, als Stefan Blöcher eine Torchance nicht gemäß seinen Anweisungen („schiiiiieß doch!!“) nutzte. Ganz anders der indische Fanblock, der sich mit zwölf Mann unterhalb der Pressetribüne in harter Front formiert hatte und jede gelungene oder verpatzte Aktion in wildem Enthusiasmus beklatschte.

In Indien wie auch bei den anderen Trophy-Teilnehmern genießt der Hockeysport ein erheblich größeres Ansehen als hierzulande. 30.000 Zuschauer und mehr finden andernorts bei Länderspielen den Weg ins Stadion. Vereine und Verbände haben bisher wenig für eine Öffnung des Sports getan, der nur von einer kleinen Elite betrieben wird.

Das undurchschaubare Regelwerk mag ein weiterer Grund für die Zuschauer-Abstinenz sein. Nach zwei wichtigen Regeländerungen machte sich auch unter Spielern, Trainern und Schiedsrichtern einige Verwirrung breit.

Im Gegensatz zum bundesdeutschen Team nutzte das indische in der ersten Halbzeit die wenigen Torchancen, um mit 0:1 in Führung zu gehen. In der Halbzeitpause setzten dann über Lautsprecher einschlägige Volksrhythmen ein, die selbst den härtesten Hooligan zum Schunkeln gebracht hätten.

Gleich nach dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit kam es ganz dicke, als die Inder den 150 Gramm schweren Ball kurz hintereinander zum 0:2 und 0:3 ins Tor rollten. Erst jetzt griff Glücksgöttin Fortuna, die sich vermutlich wegen des Kirchentags verspätet hatte, ins Geschehen ein; doch konnte sie mit dem 1:3 von Carsten Fischer und einer von Michael Hilgers verwandelten kurzen Ecke - vier waren vorher erfolglos geblieben - das Spiel nicht mehr herumreißen. Wenigstens wachte jetzt das Publikum auf und schmetterte die sonst nur bei Trinkgelagen übliche Weise: „Einer geht noch, einer geht noch rein...“ Doch es ging eben keiner mehr. Endstand: 2:3 für Indien.

Daniela Hutsch

Die nächsten Spiele:

Montag: 15.30 Uhr BRD-England; Dienstag: 16.30 Holland -Pakistan, 18.30 Indien-Australien; Mittwoch: ab 15.30 BRD -Holland, England-Australien, Indien-Pakistan; Freitag: ab 16.30 Indien-Holland, England-Pakistan; Samstag: ab 14.00 BRD-Australien, Indien-England; Sonntag: ab 12.00 Holland -Australien, BRD-Pakistan. Alles im Hockey-Stadion beim Olympiastadion.

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