: TOME XX - aufregende Töne
■ Kölner Jazz-Formation begeisterte bei DACAPO
Wenn das mexikanische Bier, dessen Namen sich TOME XX ausgeliehen hat, auch nur annähernd so aufregend wirkt, wie ihre Musik sich anhört, besteht die Gefahr, daß ich zum Alkoholiker werde. Denn das, was die vier Musiker zu Gehör brachten, macht Lust auf mehr.
Ihre Musik entzieht sich einfacher Kategorisierung. Die Stücke sind Geflechte unterschiedlicher Stilelemente aus Jazz und zeitgenössischer E-Musik; strukturiert durch abrupte Breaks und Stimmungsumschwünge, verschachtelt gegeneinanderlaufenden Melodien und Rhythmen. Konzentriert durcharrangierte Phasen werden durch freie Ausbrüche aufgehoben und modifiziert. Zerbrechlichen, feingewebten Passagen folgen swingende, bluesige Phrasen. Alles nicht beziehungslos nebeneinanderstehend, sondern als musikalische Colla- ge.
Die Basis für dieses Konzept legt der differenziert trommelnde Fritz Wittek durch pointierte Rhythmusarbeit. Dabei ist er zu zurückhaltendem, lediglich leise Akzente setzenden Trommeln genauso in der Lage, wie zu machtvollem, donnerndem Spiel. Tim Wells am Baß steuerte vornehmlich melodiös singende oder Walking-Bass-Linien bei, zeigte in
seinen Soli aber auch die Fähigkeit zu freiem, sämtliche Möglichkeiten des Instruments umfassenden Spiel. Saxophonist Dirk Raulf, gleichzeitig Mitglied der „Saxophon Mafia“, brachte die mafia-typische Mischung ein von konzertant/kammermusikalisch bis frei. Ärgerlich, daß ausgerechnet in einigen seiner feingesponnenen Solo-Passagen die Aufbaugeräusche des Stadtteilfestes einbrachen; Soundcheckdurchsagen übertönten ein zerbrechliches Tenorsax -Solo, zuschlechterletzt gellte noch eine Kinderstimme den Werderlied-Refrain in eine Pause.
Beeindruckend war Trompeter Thomas Heberer, der nicht nur durch sein Spiel, sondern (mich zumindest) durch seine Gestik faszinierte.
Sein Trompetenspiel orientiert sich nicht am reinen Ton, sondern an Intensität und variablem Ausdruck. So arbeitete er mit Growl-Effekten und Obertönen und setzte schmetternd fanfarenartige Klänge dagegen, die v.a. im Eingangsstück „Natura morta“ an den Trompetenklang mexikanischer Mariachi -Bands erinnerten. Nach spannenden zwei Stunden begeisterter Applaus und eine furiose Hommage an Albert Ayler als Zugabe. Arnau
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen