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„Rätselhafte Festnahme“

■ Erster Prozeß im Zusammenhang mit Uni-Streik-Blockaden / Student soll Widerstand gegen Polizei geleistet haben

Vor dem Moabiter Amtsgericht begann gestern der erste Prozeß im Zusammenhang mit den Blockaden beim Hochschulstreik im vergangenen Wintersemester. Der 23jährige Germanstikstudent Frank K. soll laut Anklage am 10. Januar 1989 bei der Blockade eines Instituts der Mediziner-Fakultät auf dort eingesetzte Polizeibeamte eingeschlagen haben, um die Festnahme eines jungen Mannes zu verhindern.

Ferner soll er sich seiner eigenen Festnahme widersetzt haben. Die Anklage lautet auf Widerstand. Frank K. sagte gestern, es sei ihm „rätselhaft“, warum er festgenommen worden sei. An der Blockade der Fakultät an der Fabeckstraße Ecke Arnimallee hätten rund 100 Studenten Menschenketten gebildet, um die Studierwilligen von der Teilnahme an den Vorlesungen abzuhalten. Er selbst, so Frank K. habe bei der Blockade in der ersten Reihe gestanden. Plötzlich hätten Polizeibeamte versucht, ihn über das Absperrgitter zu ziehen, und ihn danach in den „Schwitzkasten genommen“ und abgeführt. Während die Angaben des Angeklagten gestern von zwei Studenten, die bei der Blockade neben ihm gestanden hatten, im wesentlichen bestätigt wurden, erklärten drei Polizeibeamte, Frank K. habe eine Festnahme zu verhindern versucht und bei seiner eigenen Widerstand geleistet.

Der Beweisantrag von Verteidiger Jung, den Landespolizeidirektor Kittlaus als Zeugen zu hören, wurde vom Gericht als unerheblich ablehnt. Kittlaus hätte laut Antrag bekunden sollen, daß ein polizeiliches Eingreifen an diesem Tag nur dann erlaubt gewesen sei, wenn Studierwillige mit körperlicher Gewalt am Betreten der Universität gehindert worden wären. Weil es in der zur Verhandlung stehenden Situation aber zu keiner Gewaltanwendung von seiten des Angeklagten und anderer Studenten gekommen sei, sei das polizeiliche Vorgehen unzulässig gewesen.

Der Prozeß, zu dem gestern über 50 Studenten als Zuhörer gekommen waren - nur die Hälfte fand im Saal Platz -, wird am 20.Juni um 11Uhr im Saal 456 fortgesetzt. Am kommenden Donnerstag um 19 Uhr soll in der alten FU-Mensa in der Fabeckstraße eine Vollversammlung zum Thema Repressionen im Zusammenhang mit dem Uni-Streik stattfinden.

plu

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