: Menschen sollen zugunsten der Natur zusammenrücken
■ Verbände der Grünplaner sehen in Kleinraum- und Trabantensiedlungen an den Stadträndern noch großes Wohnungsbaupotential / Vorschläge für freiflächenschonendes Flächenrecycling / Bestehende Wohnsiedlungen sollen verdichtet werden, um Grün zu schonen
Vorschläge zur Bewältigung des Berliner Wohnungsbauproblems haben gestern vier städtische Verbände von Grünplanern präsentiert. Tenor der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftspflege (DGGL), des Bundes Deutscher Landschaftsarchitekten (BDLA), des Fachverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin (FGL) und des Landesverbandes Gartenbau und Landwirtschaft (LGL) gestern: Wohnungsbau auf den raren Grün- und Freiflächen an den Stadträndern kann erst dann ein Thema sein, wenn alle anderen möglichen Flächenpotentiale ausgeschöpft sind.
„Eine gewisse Brisanz“ sah der Vorsitzende des BUGA -Ausschusses in der DGGL, Professor Dr. Neumann, insbesondere in dem letzten von sieben in Thesenform erarbeiteten Vorschlägen. Danach sollen heute noch als Wochenend- oder Kleingartengebiete bezeichnete Flächen speziell an den Stadträndern, die nach Einschätzung der Verbände schon lange dauerhaft von Zweitwohnungsbesitzern in Beschlag genommen sind, planerisch als allgemeines Wohngebiet zwecks dichterer Bebauung mit neuen Wohnungen ausgewiesen werden. Prototypen solcher Refugien mit hohem Grünanteil seien z.B. die Spandauer Kleinraumsiedlungen Hakenfelde, Havelblick oder Radeland. Der Professor: „Auf diesen Riesenflächen wohnt und lebt zu einem Spottpreis eine mehr oder weniger privilegierte Schicht. Ein rechtliche Bindung als Kleingarten- oder Wochenendwohngebiet würde zwangsläufig dazu führen, daß der Pachtzins von 1,10DM bis 1,20DM auf ein heute gesellschaftspolitisch für akzeptabel gehaltenes Niveau angehoben werden kann, diese Leute ihre Zweitwohnungen aufgeben und entweder durch Parzellenteilung oder behutsames Bauen neue Wohnflächen entstehen.“
Eine andere Möglichkeit zur Erfüllung des ehrgeizigen Solls von 7.000 Neubauwohnungen pro Jahr erblickten die Fachverbände in einer baulichen Verdichtung von Trabantenstädten wie dem Märkischen Viertel, der Gropiusstadt, dem Falkenhagener Feld oder Randbereichen der Thermometer-Siedlung in Lichterfelde-Süd. Entsprechende Planungen gibt es freilich schon. Wie es hieß, müsse dem Neubau jedoch eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung vorangehen. Gerade in der Thermometer-Siedlung hielten viele Experten eine Verdichtung im Sinne einer Wohnumfeldverbesserung für wünschenswert, so Professor Neumann.
Was weiter angeregt wurde, klingt dagegen weniger neu. Dazu zählt die Überbauung von Verkehrsflächen und von Großparkplätzen vor Sommer-Freibädern und anderen, nur periodisch benutzten Einrichtungen, ferner die Überbauung von einzelnen Eckgrundstücken, eingeschossigen Gewerbebauten und flachen Lagerhallen.
Nach einer persönlich angestellten Modellrechnung sei auf den beschriebenen Flächen durch Doppelnutzung oder ein Grundstücksrecycling der Bau von mehreren Tausend Wohnungen denkbar, meinte Neumann abschließend. Die Verbände wollten aber bewußt nicht in eine Diskussion um Wohnungsbauzahlen einsteigen.
thok
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