: Bangemann: Deutsche Autos sind nicht gut genug
■ Völlige Einfuhrliberalisierung angekündigt / Fiat: Japanische Konzerne raus!
Hannover (ap/dpa) - Der Vizepräsident der EG-Kommission, Martin Bangemann, hat die Beseitigung aller nationalen Einfuhrbeschränkungen für japanische Autos angekündigt. Gleichzeitig rügte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister die europäische Autoindustrie, weil sie seiner Meinung nach in der Mittelklasse technologisch weniger anspruchsvolle Fahrzeuge anbietet als der Ferne Osten. „Auch für Automobile muß es den einheitlichen Binnenmarkt geben“, sagte Bangemann in einem Interview der in Hannover erscheinenden 'Neuen Presse‘.
Er kündigte für die nächsten Wochen intensive Gespräche mit den betroffenen Mitgliedsstaaten über die „Beseitigung aller Einfuhrbeschränkungen“ an. Der FDP-Politiker forderte die bundesdeutschen Hersteller auf, ihre Modelle „kundenfreundlicher“ auszustatten. Japanische Firmen böten heute „in der Mittelklasse die technologisch anspruchvolleren Autos. Hier müsse es ebenso Veränderungen geben wie bei der geringeren Arbeitsproduktivität in Europa: „In Japan wird ein Auto durchschnittlich innerhalb von 19 Stunden hergestellt gegenüber 36 Stunden in der Gemeinschaft.“
Die japanische Autoindustrie hat derweil mit Kopfschütteln auf die sich abzeichnende starre Abwehrhaltung der europäischen Autoindustrie gegen eine Liberalisierung der Importe aus Fernost mit dem Binnenmarkt 1993 reagiert. Fiat -Chef Cesare Romiti und vorher Peugeot-Präsident Jacques Calvet hatten sich zuvor für eine feste Abwehr von ungebremsten Autoeinfuhren aus Japan ausgesprochen. Die japanischen Konzernzentralen sind nach VWD-Informationen von den harten Äußerungen aus Turin verwirrt, da noch vor wenigen Wochen mäßigere Töne angeschlagen worden waren. Sie verwiesen auf die Vereinbarung der Fiat-Tochter Lancia mit dem japanischen Autokonzern Mazda über den Verkauf von jährlich 4.000 Lancia-Modellen in Japan, bei der die Fiat -Führung noch ein Gleichgewicht der gegenwärtigen Beziehungen herausgestellt hatte. Danach sollte Mazda die Chance haben, in gleicher Stückzahl Fahrzeuge auf dem italienischen Markt abzusetzen. Beobachter hatten jetzt den Eindruck, daß der Sinneswandel Romitis auf eine Positionsabstimmung vor allem mit seinen französischen Kollegen zurückzuführen ist. Beide Länder haben momentan noch drastische Einfuhrbeschränkungen gegenüber japanischen Auto-Einfuhren.
Für Romiti seien auch die Fertigung japanischer Hersteller in Europa mit hohem local content (nationaler Fertigungsanteil) sowie die japanischen Autowerke in den USA mit Exportabsichten nach Europa nicht ohne Probleme. Die Europäer verlören ihr Know-how und die Kraft zu einer eigenen Entwicklung, wenn japanische Autohersteller auf dem europäischen Markt ständig an Einfluß gewönnen. Beispiele für diese „Kolonialisierung“ seien die Entwicklungen zum Beispiel bei Kameras, Unterhaltungselektronik und im Motorradbau. Hier habe Europa seine ehemals starke Stellung inzwischen eingebüßt. Man müsse daher weiter innerhalb der EG verhandeln, damit es zu keiner falschen Weichenstellung komme. Romiti plädierte für eine Übergangszeit in Sachen liberalisierte Einfuhren bis zur Jahrtausendwende.
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