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Vom Kampf der Kino-Ketten

■ Warum UT, City, Europa und Stern seit 14 Tagen nicht mehr im WK inserieren

Den FilmfreundInnen wird es schon längst aufgefallen sein: Ein morgendliches Ritual am Donnerstag ist nur noch fragmentarisch möglich. Die wöchentliche Kinoanzeigenseite des Bremer Anzeigenblock der „Bremer Tageszeitungen AG“ (BreTag) sieht aus wie ein gerupftes Huhn. Nur noch die Lichtspielhäuser Schauburg, Cinema Ostertor und die Kinokette Filmstudio, Atlantis und Gondel sind auf der Seite vertreten. Keine „stählerne Faust“ mehr, kein Karate-Heroe mit schweißüberströmtem Gesicht und auch kein Pennälereis am Stiel erfreut das unausgeschlafene Auge. Die Innenstadtkinos inserieren einfach nicht mehr.

Was ist geschehen? Für den Feuilleton-Redakteur Rainer Mammen ist der Boykott redaktionell „kein Thema“. Zwar hätte es ein Gespräch mit den beiden Geschäftsführern der Kinoimperien UT am Bahnhofsplatz und Stern Lichtspiele, Herrn Hartmann, und Europa, City, Herrn Rickbers, gegeben, doch sei es nur zu einem kontroversen Meinungsaustausch gekommen. Mit einem Aktenordner voller Artikel seien die beiden erschienen, um nach „langer Zeit des Gärens“, so Hartmann, endlich einmal auf den Busch zu klopfen. Das Resultat

für die Anzeigenabteilung der BreTag ist zunächst einmal ein Loch auf der Einnahmeseite von ca. 15.000 Mark pro Donnerstag.

Zu den konkreten Gründen der harschen Reaktion der Innenstadtkinos hält sich Mammen bedeckt. Seine eigene Filmrezension zu Gefährliche Liebschaften sei ein Gesprächsthema gewesen, in einer neunzeiligen Nachbemerkung bemängelte er das „Schuhkarton-Kino“ UT 2, das „die Leuchtkraft der Bilder katastrophal verhunzt“. „Skandalös verramscht“ sah Mammen das Filmwerk, dem er künstlerisch hohe Anerkennung beimaß.

„Diese Berichterstattung entspricht nicht den Tatsachen“, empörte sich Geschäftsführer Hartmann gegenüber der taz. Jede positive oder negative Kinokritik werde akzepiert, doch im Ton dürfe sich auch die Feuilleton-Redaktion der BreTag nicht vergreifen. Auf Bitten, den vermeintlichen fauxpas zu korrigieren, habe die Redaktion nicht reagiert, außerdem hätte sie sich gar erdreistet zu behaupten, eine 70 mm Abspielstätte für Breitwandfilme sei in Bremen nicht vorhanden. Das Europa besitzt aber solch eine Einrichtung.

Aber Schuhkarton bleibt Schuhkarton, wenn das Raum

Leinwand-Verhältnis ein Filmkunstwerk in seiner Wirkung erheblich beeinträchtigt oder lästige Nebengeräusche aus dem Foyer oder nahegelegenen Vorführsälen stören, wie es aus dem UT 2 schon oft berichtet wurde. Daß es auch anders geht, beweist das Atelier im Filmstudio, das betreten werden kann, ohne an der Leinwand vorbeigehen zu müssen und in dem keine Dialog-Geräusche aus dem Hauptkino herüberschwappen. „Wir sind ja die kommerziellen Kinos“, gibt Hartmann zu bedenken, „bei uns hat der Verleiher mitzureden, ob wir ein großes oder ein kleines Kino bespielen.“ Den ökonomischen Druck, den er und sein Kollege Rickbers auf die BreTag ausüben, bekommen sie allerdings auch selbst zu spüren. Hartmann sieht gute Chancen, daß sich die Verbraucher daran gewöhnen, die Anzeigen der beiden Kino-Zentren mittwochs im „Weser Report“ zu suchen. Seit einigen Tagen drucken WK und BN immerhin wieder alle Kinotermine ab, „ohne Probleme“, wie Mammen erklärt.

Jürgen Franck

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