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Ode an den Beton

■ Aufstieg und Fall eines modernen Baustoffes im Fernsehen

“...Sie weinte still vor sich hin, die über ihre Wangen rinnenen Tränen vermischt mit der Farbe ihres Lidschattens erinnerten an den rotbraunen Ausfluß gerissenen Betons.„ (J. Monier, Lebenserinnerungen

Ein Gemenge aus kleinen Steinen und Sand vermischt mit Zement unter Wassereinfluß chemisch abgebunden, umhüllt den Stahl, damit dieser sich auf seine Zugkräfte konzentrieren kann, nicht ausbricht aus der für seine Fähigkeiten optimalen Lage, es ihm nicht zu heiß wird und er nicht mit Wasser in Berührung kommt. Denn dann wird er vom Oxigenium -Fressen dick und träge, altert schnell und wird nachlässig in der Erfüllung seiner Zug- und Druckkraft. Eigentlich leben und arbeiten die beiden gut miteinander, der Beton und der Stahl. Man sagt, sie seien unsterblich, um sie zu trennen, bedürfe es eines flammendes Infernos, in dem sie sich dann unter dem Knall einer riesigen Entspannung lösen würden. Es heißt, man bräuchte Dynamit, um sie zu entzweien oder zumindest einen Preßlufthammer.

Gäbe es da nicht eine List: Dem Wasser, das so herrlich an jedem Regentag am Rücken des Betons entlangsprudelt, werden von bösen Kräften Beimengungen zugegeben, immer nur ein bißchen, damit es nicht auffällt. Schwefeldioxyd, ein Aphrodisiakum für den Beton und der Kohlendioxyd entreißen ihm die Sinne, den Kalk aus den Knochen.

Der Beton wird faul und träge. Er schützt den Stahl nicht mehr vor seiner Lust, sich mit Sauerstoff zu verbinden. Diese Lust, die fast schon vergessen war. Morbidität macht sich breit. In einer letzten Aufwallung der Entrüstung sprengt der mit Sauerstoff aufgeladene und zugleich entkleidete Stahl den mürben Beton von sich und läßt der Anreicherung den todbringenden freien Lauf: Risse im Beton. 20.15 Uhr, N 3.

Klaus Schäfer

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