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Eine Lösung ist nicht in Sicht

■ Die Berliner Aids-Hilfe fordert die sofortige Vergabe von Spritzbestecken an drogenabhängige „Knackis“ zur Verhinderung von HIV-Neuinfektionen

Bei der Pressevorstellung eines Videofilms über Aids im Strafvollzug haben Mitarbeiter der Deutschen und Berliner Aids-Hilfe jetzt erneut an die Verantwortlichen des Berliner Strafvollzugs appelliert, sofort Maßnahmen zur Vermeidung von neuen HIV-Infektionen in den Knästen zu ergreifen. Nach Schätzung des in dem Videofilm befragten Tegeler Teilanstaltsleiters Bernd von Seefranz, kommen „über 90 Prozent“ der Neuinfektionen im Vollzug „über den gemeinsamen Gebrauch von Spritzbestecken“ zustande. Mit dem Hinweis, daß bis zu 15 drogenabhängige Gefangene ein und dieselbe Spritze benutzten, fordert die Aids-Hilfe schon seit langem, daß in den Knästen sterile Spritzbestecke und geeignete Desinfektionsmittel ausgegeben werden. Justizsprecher Christoffel erklärte dazu auf Nachfrage, in der Justizverwaltung werde „intensiv“ an der Lösungsmöglichkeiten gearbeitet. Zu Einzelheiten wollte Christoffel keine Stellung nehmen, sondern verwies nur darauf, daß im Berliner Ergebnis auch die „Empfehlung der Enquete-Kommission Aids“ des Bundestags berücksichtigt werden solle. Nach Angaben des Sekretärs der Enquete -Kommission, Lichtenberg, wird die Entscheidung der Kommisson über die rechtlichen und praktischen Fragen der Aidsprävention im Strafvollzug jedoch erst dem Endbericht zu entnehmen sein, mit dem nicht vor dem Jahreswechsel 1989/90 zu rechnen sei. Auf die Frage, ob der Status quo in den Berliner Knästen bis dahin aufrechterhalten bleiben solle, hieß es aus der Justizpressestelle äußerst allgemein, man müsse ja nicht unbedingt auf den fertig fomulierten Bericht warten, sondern könne möglicherweise schon zuvor auf das sich abzeichnende Ergebnis Bezug nehmen. Der Videofilm der Aids-Hilfe mit dem Titel Ich habe eigentlich noch 'ne ganze Menge vor soll die Situation von HIV-positiven Gefangenen deutlich machen und den Stellenwert von Präventionsarbeit und psychosozialen Hilfsangeboten aufzeigen. Er wurde vor allem für Gefangene und Anstaltsbedienstete gemacht und soll in möglichst vielen Knästen gezeigt werden. Von besonderer Bedeutung in dem Film ist nach Angaben der Mitarbeiter der Aids-Hilfe die Aussage des Tegeler Teilanstaltsleiters von Seefranz, weil es solch „deutliche Worte“ aus dem Vollzug bislang noch nicht gegeben habe. Von Seefranz spricht sich nicht nur für die bislang untersagte Ausgabe von Spritzbestecken und Desinfektionsmitteln an Gefangenen aus, sondern überlegt auch laut, ob im Berliner Strafvollzug unter bestimmten Voraussetzungen Methadonprogramme probiert werden sollten. Begegnet werden könne so dem Zustand, daß die Drogenabhängigen ihren Konsum im Knast mittels Einschücherung und Erpressung auf Kosten von Mitgefangenen finanzierten.

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