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THTR-Betreiber machen sich billig davon

Landesregierung Nordrhein-Westfalens entspricht den Forderungen der Betreiber / Einschluß und Abriß des Reaktors sehr wahrscheinlich auf Staatskosten  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Der Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm-Uentrop bleibt bis zur Beseitigung seines Bauschutts, was er immer war: der „nordrhein-westfälische Staatsreaktor“. Die Stromwirtschaft stiehlt sich mit Kleckerbeträgen aus dem Projekt, Bund und Land zahlen fast die gesamte Zeche des atomaren Flops. Dies ist das Ergebnis eines Gespräches zwischen Vertretern der NRW-Landesregierung und vier SPD-Oberbürgermeistern aus Aktionärskommunen der „Hochtemperatur Kernkraft GmbH“ (HKG) vom 13.Juni in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Der HKG-Mehrheitsaktionär, die „Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen“ (VEW), war durch ihren Aufsichtsratsvorsitzenden, den Dortmunder Oberbürgermeister Samtlebe, vertreten. Einem „Ergebnisprotokoll“ zufolge, das der taz vorliegt, werden Bund und Land nahezu allen Forderungen der HKG entsprechen. Wie berichtet, feilschen die Beteiligten seit Wochen um die finanziellen Modalitäten des „geordneten Auslaufbetriebs“ und um den Zeitpunkt der bereits beschlossenen Stillegung des THTRs. Die HKG-Gesellschafterversammlung hatte sich geweigert, eine zwischen dem Unternehmen, Bund und Land ausgehandelte Vereinbarung vom 5.Mai 1989 zu übernehmen.

Jetzt knobelten die Sozialdemokraten in Düsseldorf laut Protokoll einen „inhaltlichen Konsens“ aus, den die HKG billigen dürfte. Erstens akzeptieren die Teilnehmer den Verzicht auf die Haftung der Muttergesellschaften der THTR -Betreiber. Zweitens - und das widerspricht diametral allen bisherigen Verlautbarungen der Landesregierung - billigt sie nunmehr, daß die HKG-Gesellschafter den Geschäftsbetrieb nur „bis zur Herstellung des sicheren Einschlusses“ des THTRs aufrechterhalten. Das bedeutet im Klartext: Unmittelbar nachdem der Reaktor eingemottet wird, geht die Verantwortung für die Anlage auf jemand anderes über. Während der jahrzehntelangen Abrißarbeiten - europaweit ist noch kein einziges AKW beseitigt - hätte die HKG mit dem Laden nichts mehr zu tun.

Deren Gesellschafter verlangen, daß der THTR an die Kernforschungsanlage Jülich übergeben wird. Auf diese Forderung gingen die Sozialdemokraten noch nicht explizit ein. Nach Ansicht der NRW Grünen, „ist die Realisierung dieser Forderung jedoch logische Konsequenz des Düsseldorfer Konsenses.

Für den Abriß des THTRs wollte die HKG maximal 50 Millionen Mark lockermachen. „Bund und Land akzeptieren einen Beitrag der HKG-Gesellschafter“, heißt es im Protokoll, „von insgesamt 50 Mio. DM für einen späteren Abriß der Anlage THTR300 als ausreichend.“ Bisherige Schätzungen der Fortsetzung auf Seite 2

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Abrißkosten belaufen sich auf 415 Millionen Mark - die Kostenexplosion derartige Arbeiten nicht eingerechnet.

Unklar blieb gestern, ob der Bund diesem „Konsens“ bereits zugestimmt hat. Die Pressestelle des NRW -Wirtschaftsministeriums wußte genausoviel wie die Staatskanzlei: nichts. Sollten Bund, Landesregierung und HKG die neuen Festlegungen offiziell billigen, könnte die Vereinbarung vom 5.Mai inklusive der neuen Interpretation unterzeichnet werden. Damit wäre die Bedingung des Bonner Forschungsministers und des NRW-Wirtschaftsministeriums zur Wiederinbetriebnahme des seit Oktober stilliegenden THTRs erfüllt.

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