: Der Brady-Plan kommt nicht vom Fleck
■ Finanzexperten verlangen Schuldenerlaß von 125 Milliarden Dollar / Banken vermissen Anreize
Washington (dpa) - Zuerst Costa Rica und die Philippinen, dann Mexiko und Venezuela - das sind die ersten hoch verschuldeten Länder, für die von IWF und Weltbank Kreditpakete geschnürt worden sind, in denen bestimmte Beträge im Sinne der nach US-Finanzminister Nicholas Brady benannten Schuldenstrategie reserviert sind. Die Länder dürfen einen Teil dieser Kredite in die Verhandlungen mit den Geschäftsbanken über Schuldenabbau, zum Beispiel den Rückauf von Altkrediten zu geringerem Wert oder für Erleichterungen beim Schuldendienst einbringen.
Bisher ist die neue Schuldenstrategie allerdings nicht vom Fleck gekommen. Die internationalen Geschäftsbanken haben noch in keinem Fall mitgespielt - trotz des unübersehbaren Drucks auf sie, dem neuen Anlauf zur Überwindung der Schuldenkrise zum Erfolg zu verhelfen.
Als erster Testfall gilt einmal mehr Mexiko. Das mit insgesamt 104 Milliarden Dollar (205 Mrd. DM) nach Brasilien am höchsten verschuldete Land steckt mitten in Verhandlungen mit den Repräsentanten seiner über 400 Gläubigerbanken, die 55 Milliarden Dollar geliehen haben. Mexiko braucht nach eigenen Berechnungen in den nächsten vier Jahren 25 Milliarden Dollar an „frischem Geld“, allein um die Zinsen von 45 Milliarden Dollar bezahlen zu können. Am liebsten hätte Mexiko einen Schuldenerlaß von 50 Prozent.
US-Finanzminister Brady und davor IWF-Direktor Camdessus redeten den Bankiers ins Gewissen, aus wohlverstandenem Eigeninteresse die neue Initiative nicht zu blockieren. Die Risiken, weiterzumachen wie bisher, mit Bankrotterklärungen von Ländern vor Augen, seien bei weitem höher als die Risiken, die neue Strategie zu unterstützen. Der Staatssekretär im US-Finanzministerium, David Mulford, drohte bei einer Anhörung des Kongresses sogar unverhohlen mit dem Knüppel einer gesetzlich verordneten Lösung, die „viel unangenehmer“ ausfallen könnte, als was auf freiwilliger Basis erwartet werde.
Eine Gruppe internationaler Finanzexperten unter Leitung des früheren IWF-Direktors Johannes Witteveen hält Schuldenverringerungen „im großen Stil“ für geboten. Wegen einer gesunden Weltwirtschaft, aber auch aus „allgemeinen moralischen und politischen Gründen“ sollten die Banken den hochverschuldeten Ländern die Hälfte der ausstehenden Kreditrückzahlungen von 250 Milliarden Dollar erlassen.
Die Geschäftsbanken waren von Anfang an nicht begeistert, daß sie alte Schulden praktisch in den Schornstein schreiben, mit weniger Zinseinnahmen zufrieden sein und dazu noch neue Kredite geben sollen. Wer garantiere, daß zum Beispiel Mexiko nicht 1991 anklopfe und Erleichterungen bei Tilgungen und Zinsen für Kredite verlange, die 1989 gewährt wurden, fragt etwa Horst Schulmann, Direktor des Hardliner -„Instituts für Internationale Finanzen“ in Washington. Die Banken vermissen Anreize und Garantien, bezweifeln die Effizienz der verlangten Wirtschaftsreformen und halten die von IWF und Weltbank angebotenen neuen Sicherungen nicht für ausreichend. Beim Brady-Plan, heißt es angesichts dieser Sachlage, müsse finanziell und politisch nachgelegt werden, wenn er funktionieren soll.
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