: Bürgermeister küßt UB-Vorsitzende weg
■ Dagmar Lill soll Leiterin der neuen Zentralstelle für „Ausländerpolitik“ werden
Die Durchsetzbarkeit politischer Konzepte steigt in Bremen in dem Maße, in dem sie mit den privaten Interessen führender SPD-GenossInnen zur Deckung zu bringen sind. Einer solchen Ehe zwischen politischem Konzept und persönlichen Karriere soll heute der SPD-Landesvorstand seinen Segen erteilen.
Vor den Altar treten: Die Ausländerpolitik der Bremer SPD und deren Unterbezirksvorsitzende im Bremer Westen, Dagmar Lill. Als Heiratsvermittler fungieren: Bürgermeister Klaus Wedemeier, sein Stellvertreter Henning Scherf und der Ausländerausschuß der SPD-Fraktion. Seit Monaten kämpft letzterer ebenso rührig wie erfolglos um eine intensivere Beratung und Betreuung von Asylanten und Ausländern.Traum des Ausschusses: Eine Zentralstelle für die Koordinierung der Ausländerarbeit, ähnlich wie Ursula Kersteins „Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau“. Wahrscheinlich würde der Ausschuß noch am St. Nimmerleinstag für die Realisierung seiner Träume kämpfen, wenn ihm nicht ein akutes Unbehagen von Arbeitssenator Wedemeier zupaß käme. Das bürgermeisterliche Unbehagen bezieht sich auf seine bisherigeAbteilungsleiterin im Arbeitsressort: Dagmar Lill. In der letzten Woche gab Wedemeier dem Ausländerausschuß denn auch persönlich die Ehre, um folgenden Deal vorzuschlagen: Der Ausschuß bekommt seine Koordinierungsstelle. Einzige Voraussetzung: Dagmar Lill muß ihre Leiterin werden und auf diesem Weg aus Wedemeiers Arbeitsressort verschwinden.
Von den plötzlichen Erfolgsaussichten betört, erklärte sich der Ausschuß zu jedem Kuhhandel bereit, um allerdings sofort ein neues Problem zu entdecken. Nach seinen Vorstellungen sollte die Koordinierungsstelle direkt in der Senatskanzlei angesiedelt und dort mit ressortübergreifenden Kompetenzen ausgestattet werden. Das ging nun keinesfalls. Chef der Senatskanzlei ist Klaus Wedemeier, dem die durch die eine Tür abgeschobene Dagnar Lill so durch die nächste Tür wieder ins (Rat)Haus gekommen wäre. Zweiter Vorschlag: Ansiedlung beim Arbeitsressort. Schon wieder hattsich die Genossen geschnitten. Denn Arbeitssenator ist wiederum Klaus Wedemeier. Dritter Vorschlag, diesmal vom Bürgermeister: Ansiedlung im Innenressort. Das war nun allerdings den den Genossen zupeinlich: Eine Behörde, die üblicherweise für dsiung vAusländern zuständig ist, kann doch nicht nebenher mit ihrer vertrauensvollen Beratung betraut werden. Ergebnislos vertagten sich Bürgermeister und Ausschuß.
Gestern trafen sie sich erneut und hatten die Lösung in der Tasche: Koordinierungsstelle samt Dagmar Lill wird bei Sozinator Henning Scherf ressortieren. Sie landet damit ausgerechnet beim einzigen Kritiker des Gesamtkonzepts. Für Ausländerarbeit sind nach Scherfs Auffassung nämlich nicht eine „Koordinierungsstellen“ sondern die von ihm „Neuorganisierten Sozialen Dienste“ (NOSD) zuständig. Wenn schon neue Stellen, so hatte Scherfs Senatsdirektor Hoppensack im Senat argumentiert, dann für die NOSD. Allerdings: Bei einem Herzenswunsch von Klaus Wedemeier kann auch Henning Scherf nicht nein sagen. Wenn heute auch der der SPD-Landesvorstand dem Deal seinen Segen gibt, werden deshalb in Zukunft 10 NOSD-AusländersozialarbeiterInnen von 10 MitarbeiterInnen und ihrer Leiterin Dagmar Lill koordiniert. Die dürfte dann nur noch wenig zu tun und genügend Zeit und Geld für Parteiarbeit im Bremer Westen haben. Außer 10 MitarbeiterInnen hat Bürgermeister Wedemeier ihr nämlich wunschgemäß die Besoldungsstufe B2 ins Abschiedspäckchen gepackt.
K.S
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