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BKA inszinierte 50-Million-Kokain-Deal

■ Celler Loch in Bremen: BKA kaufte, schmuggelte und vermittelte 50 Kilo Kokain / Bremer Generalstaatsanwalt war eingeweiht

Am 2. Juni 1988 meldeten Staatsanwaltschaft und Polizei in Bremen einen der größten Erfolge in der Geschichte der Rauschgiftfahndung: In Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt seien in Bremerhaven 50 Kilo Kokain mit einem Schwarzmarktwert von ca. 45 Millionen Mark beschlagnahmt worden. Angeblich wurden seinerzeit fünf Verdächtige „inflagranti“ erwischt und festgenommen.

Die Erfolgsmeldung fiel dem BKA, wie die taz seit gestern weiß, mehr als leicht: Das Bundeskriminalamt hatte den gefeierten Rauschgift-Coup von A bis Z selbst inszeniert und inzwischen in einem umfangreichen Tätigkeitsbericht selbst dokumentiert.

Im Auftrag der „Rauschgiftabteilung 25“ des BKA fuhr danach ein BKA-Mitarbeiter, Kriminalhauptkommissar Korn, nach Ecuador, um exakt jene 50 Kilo Kokain zu besorgen, die am 2. Juni 88 in den Schließfächern 57 und 60 des Bremerhavener Hauptbahnhofs sichergestellt wurden. Angeblich - so die offizielle BKA-Selbstdarstellung - sollte durch das Scheingeschäft ein internationaler Rauschgiftring ausgehoben werden, der über Bananenfrachter Heroin von Ecuador über Bremerhaven nach Europa einschleust. Angeblicher gesuchter Kopf des Rings: Der internationale Rauschgift-Dealer Carlos Hidalgo. Was das BKA heute entweder unterschlägt oder zum Zeitpunkt des hausgemachten Rauschgiftcoups selbst nicht

wußte: Wegen Rauschgifthandels saß Hidalgo zum fraglichen Zeitpunkt längst in einem lateinamerikanischen Gefängnis.

Entsprechend nahm BKA-Kommissar Korn auch nicht den angeblich verdächtigen Bananenfrachter „Scottish star“, um das Heroin nach Bremerhaven zu bringen. Wegen „unkalkulierbarer Risiken“ trat der BKA-Mann mit dem Rauschgift im Gepäck die Reise nach Deutschland per Flugzeug an und deponierte am 31. Mai 50 Kilo Rauschgift in den Schließfächern. Spätestens von

diesem Zeitpunkt an - so die BKA-Version - war Bremens Generalstaatsanwalt Hans Janknecht in den BKA-Coup eingeweiht und hatte ihm zugestimmt.

Die beiden Schließfachschlüssel will BKA-Mann Korn darauf einem namentlich nicht genannten „europäischen Staatsangehörigen“ übergeben haben - möglicherweise handelt es sich bei dem obskuren Unbekannten um einen V-Mann des BKA.

Unter Hinweis auf Erkenntnisse über „illegal eingeführtes Rauschgift“ beantragte das BKA

bei der Bremer Staatsanwältin Graalmann nun die Telfonüberwachung mehrerer angeblich verdächtiger Südamerikaner, die aufgrund der Überprüfung von Passagierlisten von Flügen zwischen Ecuador und der Bundesrepublik ermittelt worden waren. Statt des angeblich gesuchten Carlos Hidalgo sollten plötzlich allerdings die Telefonapparte der Südamerikaner Julio Roberto C., Ramiresz P. und Alfonso B. sowie die beiden Italiener Eoberto R. und Donatello R überwacht werden. Was die Staatsanwältin

Graalmann im Gegensatz zu ihrem Vorgesetzten Janknecht mit größter Wahrscheinlichkeit allerdings nicht wußte, war die Tatsache, daß der gesamte Deal bis dato vom BKA selbst organisiert war. Gutgläubig setzte Graalmann die Telefonüberwachungs-Genehmigungen beim Bremer Ermittlungsrichter durch.

Durch hektische - vom BKA jetzt lückenlos überwachte Telefonate wurde darauf für den 2. Juni ein Übergabetermin des Rauschgifts vereinbart. Hauptfigur bei diesen Telefonverhandlungen: ein gewisser Carlos Ponze, der die Bremer Fäden vom Brüsseler Sheraton-Hotel aus zog. Ob es sich bei Ponze um den obskuren ungenannten Europäer und Gewährsmann von BKA-Kommissar Korn handelt, geht aus dem BKA -Bericht nicht hervor. Auffällig allerdings ist, daß am 2. Juni, als BKA und MEK Bremen zuschlugen, alle Verdächtigen verhaftet werden konnten. Nur der vermeintliche Haupttäter entkam angeblich: Carlos Ponze.

Stattdessen gingen den Beamten vor den Bremerhavener Schließfächern zwei deutsche Dealer ins Netz, die mit einer sichergestellten Barschaft von ganzen 5.000 Mark Kokain kaufen wollten. Nicht viel größer war die Summe, die bei den beiden verdächtigen Italienern sichergestellt wurde. Sie wurden mit 10.000 Dollar in der Tasche verhaftet. Auf den großangelegten BKA-Coup hatten kleine Fische angebissen. Alle sind inzwischen wieder auf freiem Fuß.

In Bremer Untersuchungshaft sitzen dagegen noch jene drei Südamerikaner, deren Telefongespräche-Gespräche mit Carlos Ponze abgehört wurden. Ob das Belastungsmaterial, das das BKA unter offenkundiger Vortäuschung falscher Tatsachen gegenüber der ermittelnden Staatsanwältin und unter mutmaßlicher „Mitwisserschaft“ des Bremer Generalstaatsanwalts Janknecht gewonnen hat, zu einer Verurteilung ausreicht, bleibt abzuwarten. In einem ähnlichen Fall urteilte das Landgericht Hamburg über die BKA -Methoden: „Der Kammer ist mit Anklageerhebung eine vom Bundeskriminalamt in einem bis dahin nicht vorstellbaren Maße gefälschte Akte vorgelegt worden.“

Eine ähnliche Wertung des Bremer Falls verkniff sich Generalstaatsanwalt Janknecht gestern. Auch zu der Frage, seit wann er in den BKA-Coup eingeweiht war und ob er seine untergebene Staatsanwältin Graalmann je in die BKA-Methoden eingeweiht habe, verweigerte Janknecht jede Aussage. Das gleiche verordnete er Anklägerin Graalmann.

Klaus Schloesser

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