: Kennzeichen süß-sauer
■ Zur 400.Sendung von „Kennzeichen D“ am 21.6., ZDF
Zum Jubiläum gab es rührend Deutsch-deutsches aus Kindermund (eine gute Idee), ein rührendes Interview mit Willy Brandt, kein Wunder, dann die Leipziger Pfeffermühle und ein neues flaches Firmenlogo, Billardkugeln statt Anstöße. Der Streit im Sudio unter den Zuschauern ging um einen alten Hut. 400 Mal ist er gegerbt, bei Wind und Wetter, Frost und Tau. Vom vielen Auf- und Abnehmen glänzen einige Stellen, die Krempe ist angegriffen. Doch der Hut kommt nicht vom Krempelmarkt den hatte der rot-grüne Berliner Senat den Polen gerade multikulturell verboten - der Hut schreibt die ideelle Linie der gorbatschowschen Kopfbedeckung fort, nach Maß und nicht ganz so altmodisch.
Das „ZDF-Magazin“ hatte schon verloren, als Kennzeichen D 1971 als erstes Kind mit fernsehübergreifender Entspannungspolitik begann. Sind sie nun moskauhörig, die „KD-Leute“, SPD-verbunden, wie der 'Bayernkurier‘ schon mal mutmaßte, oder sind es „Revanchisten auf Samtpfoten“, wie der Ost-Vorwurf lautete. Nichts von alledem. Willy Brandt, der 71er Nobelpreiträger, äußerte sich im Gespräch mit Redaktionschef Dirk (Wahr-)Sager („Warum kehrt keine Ruhe, kein Glück in der DDR ein?“) angesichts der Ängste der „Landsleute in der Zone“, von Glasnost ausgeschlossen zu bleiben, über das nachlassende Vertrauen zwischen den Menschen und ihrer Obrigkeit. Das war typisch, ein softes Wort, dahinter das knisternde Verlangen, endlich einmal auf den Tisch hauen zu können, ohne als kalter Krieger verschrien zu werden. Eine, wie ich finde, unberechtigte und überholte Angst, wo doch die kalten Krieger in Moskau zu Hause sind, nur daß sie dort als Reformer gelten. Die echten kalten Krieger leben eh in Peking und dort, wo ihnen Beifal gespendet wird - in Ost-Berlin. Aber ihnen öffentlich die Leviten zu lesen, das ist nicht Brandt-Stil, nicht der des Hauses. Die DDR dankte es 1987 mit einem erstmals von Ost -Berlin ausgestrahlten „KD“. Heute sieht man sich wieder als Opfer eines Drehverbotes, die Aufregung darüber geht mir ab, es riecht ein bißchen nach Entschuldigung, wo doch die ARD -Kollegen mindestens die gleichen Probleme haben.
Als 1980 die 200.für Folge lief, wollte keiner die Hand dafür ins Feuer legen, daß auch die 300. noch zu feiern ist. Mainz wird nicht mehr die Hand erheben wider die unbotmäßigen Berliner, wie es unter der Leitung Hanns Werner Schwarzes fast schon zum Alltag gehörte, immer wieder zwischen die Stühle zu geraten. Damals hieß es „Haust du meinen Schwarzes, hau ich deinen Löwenthal“. Nun sind beide fort und wir warten auf das Mittagsmagazin der ARD, damit es bald heißen kann: „Haust du meinen Bednartz, hau ich deinen Mertes.“ Der Krawallpokal der Fernsehmagazine steht nämlich seit längerem in Köln.
Benedict Maria Mülder
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