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In China rollen die Köpfe der Revolte

■ Sieben Menschen in Peking und 17 in Jinan exekutiert / Hingerichtete haben an Demonstrationen für Demokratie teilgenommen / Bundestag debattiert zu China

Peking (ap/afp/taz) - In der Volksrepublik China gehen die Hinrichtungen weiter. Gestern wurden in Peking sieben Teilnehmer der Demonstrationen für Demokratie hingerichtet. In der nordchinesischen Stadt Jinan berichtete eine lokale Zeitung von 17 weiteren Hinrichtungen.

Den Verurteilten in Peking war vorgeworfen worden, Militärfahrzeuge in Brand gesetzt, Soldaten angegriffen und militärisches Eigentum gestohlen zu haben. Wie die amtliche Nachrichtenagentur 'Xinhua‘ meldete, hatte der Oberste Gerichtshof die Gnadengesuche der sieben abgelehnt. Das Schicksal eines achten, ebenfalls am Samstag in Peking zum Tode Verurteilten ist ungewiß.

Am Mittwoch waren in Schanghai die ersten Todesurteile in Zusammenhang mit den Demonstrationen vollstreckt worden. Die Hinrichtungen hatten internationale Proteste ausgelöst. Die USA haben sich unterdessen Zurückhaltung zu den Ereignissen in China auferlegt. US-Außenminister James Baker teilte am Mittwoch mit, die Vereinigten Staaten planten derzeit keine weiteren Sanktionen gegen die Volksrepublik. Nach einem Gespräch mit Präsident George Bush und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher betonte Baker in Washington, die USA müßten der Bedeutung ihrer Beziehungen mit China Rechnung tragen und sie nach Möglichkeit bewahren. Auf die Frage, ob gemeinsame Maßnahmen Bonns und Washingtons geplant seien, verwies Baker auf seine andauernden Gespräche mit Genscher.

Wie unser Mitarbeiter Thomas Reichenbach aus Peking berichtet, hat die Vollstreckung der Todesurteile an den Universitäten Pekings große Betroffenheit ausgelöst. Doch niemand wagt, seine Trauer und Wut öffentlich zu zeigen. Überall werden Spitzel vermutet. Anfang der Woche wurden Wohnheime der Peking-Universität Fortsetzung auf Seite 2

Tagesthema Seite 3

Bericht zu China-Aktionen in Frankfurt Seite 4

Kommentar Seite 8

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

erneut durchsucht. Dabei wurde ein Student, der Flugblätter und andere „konterrevolutionäre Propaganda“ bei sich hatte, festgenommen. In privaten Gesprächen äußern Studenten die Hoffnung, daß der internationale Druck auf die chinesische Regierung verstärkt wird, daß alle Wirtschaftsbeziehungen abgebrochen und alle Kredite von IWF und Weltbank gestoppt werden.

Seit zwei Tagen zeigt das Militär in der chinesischen Hauptstadt wieder stärker Präsenz. An Kreuzungen, auf Plätzen und Brücken sind jeweils acht bis zehn Soldaten aufgezogen, die dort rund um die Uhr Wache schieben. Augenzeugen berichteten, in den Tagen nach dem Massaker seien sie von Sicherheitskräften

gezwungen worden, mitanzusehen wie gefesselte Jugendliche auf Lastwagen verfrachtet wurden, um sie nach Aussagen der Offiziere außerhalb der Stadt zu erschießen. In der Stadt Harbin seien Pekinger Studenten die Ausweise abgenommen und vor ihren Augen zerrissen worden. Das diente offenbar dem Ziel, die Studenten als „identitätslose Elemente“ verschwinden zu lassen.

Bundestag zu China

Der Bundestag hat gestern eine vorliegende einheitliche Protestentschließung aller Fraktionen zu den Hinrichtungen in China unmittelbar vor der Abstimmung wieder aufgehoben, um schärfere Formulierungen und eine härtere Verurteilung der Machthaber zu finden. Unter dem Eindruck der jüngsten Meldungen über Vollstreckungen von Todesurteilen auch in Peking beantragte der CDU-Abgeordnete Fried

rich Vogel, Vorsitzender des Unterausschusses Menschenrechte, eine sofortige Beratung über eine neue Entschließung. In seltener Einmütigkeit fanden sich die ParlamentarierInnen aller Richtungen im Protest gegen den Terror in Peking zusammen. Petra Kelly von den Grünen schlug vor, ein internationales Chinatribunal zu bilden.

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