MVA: Bundes-Schadstoffmeister

■ Umweltverbände befürchten: Neue TA-Luft auch durch Rauchgaswäsche nicht einzuhalten

Die Bremer MÜllverbrennungs anlage ist Bundesspitze. Und sie wird es auch bleiben: Nicht in der Technik, aber in der Schadstoffemission. Zu diesem Schluß kamen Vertreter der Planungsgruppe N.A.T.U.R., des Vereins für Umwelt- und Arbeitsschutz (VUA) und des Bremer Verbandes des BUND. Auf einer gestrigen Pressekonferenz wiesen sie darauf hin, daß die MVA auch nach Inbetriebnahme der zur Zeit noch im Bau befindlichen Rauchgaswaschanlage die Anforderungen der seit 1. April gültigen TA-Luft (Technische Anleitung) weit überschreiten wird.

Besondere sozialdemokratische Pointe dabei: Während die SPD -Bundesfraktion die neuen Grenzwerte als nach wie vor viel zu niedrig kritisiert, versuchen die Bremer Genossen die laschen Grenzwerte wenigstens bis November zu erreichen.

VUA, BUND und NATUR sehen denn auch Bürgermeister We

demeiers Ankündigung von 1987, die Bremer MVA möglichst bis 1995 stillzulegen, inzwischen zur irrealen Utopie zu verblassen. (vgl. taz v. 6.6.). Seitens der Umweltschutzverbände vermutet man inzwischen, daß eine MVA -Schließung nie ernsthaft in Erwägung gezogen wurde; Verlautbarung des Amtes für Stadtentwässerung und Abfallbeseitigung: „Eine Schließung scheint auf längere Zeit nicht in Sicht“. Dort ist z.B. geplant, zusätzlich zu den 250.000 t Hausmüll pro Jahr, schrittweise bis zu 60.000 t Baustellenabfälle jährlich zu verheizen - um Deponieraum zu sparen. Einem Gutachten des TÜV-Rheinland zufolge sind die Müllbunker jedoch selbst für die Hälfte der heutigen Anlieferungsmenge zu klein, eine gleichmäßige Durchmischung des Mülls ist nicht möglich. Die ist aber für eine genaue Berechnung der Sauerstoffzufuhr während der Verbrennung unerläßlich, anson

sten kommt es zu unvollständiger Verbrennung und damit zu erhöhtem Ausstoß von giftigem Kohlenmonoxid sowie Kohlenstoff und Stickoxyden.

Der Empfehlung der Gutachter, die Müllbunker auszubauen, möchte der Senat allerdings durch die preiswertere, aber allein nicht sehr wirkunksvolle Umgestaltung der Brennkessel umgehen - die Kosten wachsen nämlich in den Himmel. Allein die technisch-überholte, aber preiswertere Rauchgaswäsche hat sich um 3 Mio. DM verteuert, ein kompletter Ausbau inklusive Bunkererweiterung würde gar 53 Mio. kosten - bei einer Anlage, deren Zukunft noch ungewiß ist.

Die Enscheidungslosigkeit des Senats hat indes fatale Folgen: Die schon begonnene Bauabfallbeseitigung bringt große Mengen an Kunststoffen und Flammschutzmitteln mit sich, die bei der Verbrennung bromierte Dioxine und Furane freisetzen. Sie sind

verwandt mit den bekannten chlorierten Dioxinen und Furanen, in ihrer Wirkungsweise und Toxizität aber noch teuflischer. Nach neuen Analysen entstehen sie in großen Mengen da, wo auch die chlorierten Vettern in hohem Maß gebildet werden.

Angesichts des eh schon hohen, weit über Grenzwerten und Bundesschnitt liegenden Dioxin-Ausstoßes der MVA, sehen Umweltverbände Anlaß zu ernsthafter Beunruhigung. Statt der wiederholten, kostenintensiven Emissionsmessungen fordern die Umweltverbände denn auch die preiswerteren und aussagekräftigeren Untersuchungen von Boden und Blocklander Kühen. Im Hause Lemke scheut man dies nach Meinung von VUA -Mitarbeiter und Biochemiker Andreas Kartenkamp wegen „zu erwartender fatal hoher Werte“. Kartenkamp sieht die Bevölkerung in den MVA-umgebenden Stadtteilen „sehr stark gefährdet“.

sb