: DKP steht kurz vor der Spaltung
■ Bremer Genossen geben sich letzte Chance: Grundsatzdebatte auf Sonderparteitag verlangt
Allmählich geht es ans „Eingemachte“ in der Bremer DKP. Auf ihrer letzten Mitgliederversammlung waren sich Bremens ansonsten heillos uneinige KommunistInnen nur in einem Punkt noch einig: Die Spaltung der Partei muß unbedingt verhindert werden. So intensiv beschworen die Redner aller Fraktionen und Strömungen die Vermeidung einer Spaltung, daß die Debatte eigentlich nur einen Schluß zuläßt: Die bundsweite Spaltung der DKP steht unmittelbar bevor.
Einziger Tagesordnungspunkt war am Donnerstagabend im Bürgerhaus Oslebshausen war die vom Bremer Parteivorstand vorgeschlagene Einberufung eines Sonderparteitags noch im kommenden Herbst. Letzter Anlaß für die von der Bremer Vorstandsmehrheit geforderte „Grundsatzdebatte über das Selbstverständnis der Partei“: Die von der Düsseldorfer Parteizentrale verfügte Absetzung zweier Parteivorstandsmitglieder. Die Vorstandsmehrheit um Herbert Mies und Ellen Weber hatte ihren KollegInnen Werner Stührmann und Birgit Radow„strömungspolitische Aktivitäten“ vorgeworfen und ihren Ausschluß aus dem Vorstand verfügt.
In seinem Einleitungsreferat wertete Bremens DKP -Bezirksvorsitzender, Dieter Gautier, den jüngsten Coup der alten Vorstandsgarde als „außerordentliche Zuspitzung der Krise in der Partei“. Gautier: „Wir sprechen von der Gefahr eines Auseinanderbrechens der DKP.“
Nachdem der Vorstand inzwischen mit administrativen Maßnahmen und unverblümten Drohungen gegen die „Erneuerungsfraktion“ in den eigenen Reihen vorgeht, sieht Gautier nur noch einzige Chance für die angestrebte Neudefinition „der revolutionären Partei der Arbeiterklasse“: Die Einberufung eines Sonderparteitags zur „politischen Diskussion einer neuen Grundlage der programmatischen, politischen und organsisatorischen Erneuerung der DKP“ - „ohne administratives Vorgehen in jedweder Form“, wie es im Antrag des Bremer Parteivorstands hieß.
In Bremen konnte Gautier sich am Dienstag der Mehrheit sicher sein. Unterstützung fand er nicht nur bei dem Bremer Hochschullehrer Wolfgang Janssen, der in der Debatte für eine „bewußte Eskalation des Konflikts mit der Parteiführung bis zu deren Lernfähigkeit“ plädierte. Auch Jans
sens Professoren-Kollege Jörg Huffschmid, der am kommenden Wochenende selbst im Parteivorstand sitzen wird, wenn über den Antrag auf Einberufung eines Sonderparteitags abgestimmt wird, schlug vor, „der Parteiführung endlich klar zu machen, daß sie mit dieser Partei nicht alles machen kann“. Huffschmid unter begeistertem Applaus: „Jahrelang haben wir im Namen des Marxismus/Leninismus die ökologische Krise und die Frauenfrage verdrängt, dann haben wir im Namen des Marxismus/Leninismus die Krise unserer eigenen Partei verdrängt, im Augenblick versucht die Parteiführung im Namen des Marxismus/Leninismus zu verdrängen, daß der Marxismus/Leninismus selbst neu diskutiert werden muß.“
Die Fraktion der Parteiführungs-Getreuen gab sich angesichts der Stimmung im Bürgerhaus-Saal früh geschlagen. Offensichtlich im vollsten Bewußtsein der Aussichtslosigkeit seines Ansinnnens hatte Gautiers Vorgänger als Bremer Parteivorsitzender, Herbert Breidbach, eine Lanze für die Düsseldorfer Linie gebrochen. Breidbachs Argumentation: „Wenn die Parteiführung einzelne Mitglieder aus
schließt, dann weiß sie was sie tut. Für die Basis gibt es keinen Grund, Führungsbeschlüsse anzuzweifeln oder gar auf Sonderparteitagen zur Diskussion zu stellen.“ Nach mäßigem Beifall für Breidbach schienen die Mehrheitsverhältnisse klar. Letzter Versuch eines Linientreuen: Per Geschäftsordnungsantrag beantragte er den Saal auf ausgeschlossene oder ausgetretene und damit nicht -abstimmungsberechtigte Mitglieder zu durchkämmen. Die Gegenrede: „Mensch, Wolfgang, mach keinen Zirkus!“ fand eine überwältigende Mehrheit. Nach dreistündiger Debatte wurde der Antrag auf Einberufung eines Sonderparteitags mit 200 gegen 21 Stimmen beschlossen.
Allerdings wissen auch die Bremer Erneuerer, auf welches Vabanque-Spiel sie sich damit eingelassen haben. Sollte es tatsächlich zu dem geforderten Sonderparteitag kommen, könnte er auch mit einem Begräbnis erster Klasse für die Erneuerungsfraktion enden: Anreisen würden nämlich die Delegierten des letzten Parteitags, auf dem die Erneuerer nur über ein gutes Drittel der Delegiertenstimmen verfügten.
K.S.
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