: Lobe den Herrn - in allen Magazinen
■ Draufgänger, asketischer Geistesriese oder Schmerzensmann - im 'Spiegel‘, 'Stern‘ und 'Zeit‘ wird der Mann stets als Held verehrt Je größer der Mann, desto kleiner und verachtenswerter die Frau / Eine Sprachanalyse aus feministischer Sicht
Luise F. Pusch
Dieser Text wurde bestellt vom Deutschen JournalistInnenbund anläßlich der Jahrestagung letzte Woche. Erwünscht war eine Analyse der Sprache der Journalistinnen und Journalisten aus feministisch-linguistischer Sicht. Ich orientierte mich am bewährten Stichproben-Verfahren der Stiftung Warentest und erstand Ende April an meinem Kiosk folgende sieben Zeitschriften: 'Der Spiegel‘ Nr. 18, 'Die Zeit‘ Nr. 18 samt 'Zeit-Magazin‘, 'Der Stern‘ Nr. 18 samt 'stern-tv-magazin‘, 'Frau im Spiegel‘ Nr. 18, 'Bild der Frau‘ Nr. 17, 'Brigitte‘ Nr. 9, 'Journal für die Frau‘ Nr. 9. (Alle Zitate im folgenden aus diesen Nummern.)
Da das gesamte Sprachmaterial in diesen sieben Zeitschriften immer noch viel zu umfangreich war, mußte ich weiter eingrenzen und entschied mich für „Persönlichkeits -Porträts“. Die Archetypen: Don Juan und Faust
Immer wieder bin ich auf Stories gestoßen, die nach Art der alten Heldensagen angelegt sind. Gepflegt wird nicht so sehr der strahlende, sondern der tragische Held. Heldenhaft und strahlend ist in der Regel seine Leistung, düster ist sein Ende.
Archetyp des 'Spiegel'- und 'Stern'-Helden ist Don Juan, der Wüstling, mit dem es zwar ein böses Ende nahm, der aber sein ruchloses Leben tapfer und in vollen Zügen genossen hat.
Archetyp des 'Zeit'-Helden ist dagegen Faust, der mit dem faustischen Ringen um die letzten Wahrheiten. Dem 'Zeit' -Helden haftet etwas Masochistisches an, Lebensgenuß ist ihm fremd, während der 'Spiegel'- und 'Stern'-Held gerade am Übermaß des Genusses tragisch eingeht.
Das 'Stern'-Buch Hemingway und die Frauen von Victor Schuller wird wie folgt angepriesen: „Das hat's vor ihm noch nie gegeben: Ein Schriftsteller populär wie ein Filmstar. Ernest Hemingways extravagantes und gefährliches Leben kann sich durchaus mit dem eines Leinwand-Helden messen. Frauenheld und Abenteurer, Whiskysäufer und Großwildjäger und dann auch noch Schriftsteller und Dichter?“ (S. 232)
Derselbe Held aus der Sicht des 'Spiegel‘: “...kein Schriftsteller (die Frage sei erlaubt: etwa auch die Zeitgenossinnen?), keiner hat je sich so bravourös in Szene gesetzt wie 'Old Hem‘, der Champion an der Schreibmaschine, der hartgesottene, verwegene, fröhlich über die Stränge schlagende Krieger, Boxer, Stierkampf-Aficionado, Hochseefischer und Großwildjäger von den grünen Hügeln Afrikas.
Als er aber in aller Welt so berühmt war wie ein Autor nur berühmt sein konnte, wurde er ein trauriger alter Mann, zerrüttet von Alkohol und schweren Depressionen, von Vernichtungsängsten und Todessehnsüchten heimgesucht ... unvergessen, überlebensgroß, ragt er noch immer empor vor den Augen der Nachwelt, ein tragischer Held des amerikanischen Traums...“ (Gunar Ortlepp, S. 206).
James Brown wird im 'Stern‘ zunächst bescheinigt, daß wir so ziemlich jede Neuerung in der Popmusik der letzten 20-30 seinem Genie verdanken, und dann geht es los: „Meistens ließ Brown seine Gewaltausbrüche an Frauen aus. Seine Freundin Tammi Terreli ... prügelte er blutig.“ Auch die damalige Mrs. Brown, Deirdre, wurde geschlagen.
(...) In einer Zeit, da Rockstars Rebellion und chaotisches Leben nur noch auf der Bühne vorführen und sich privat ... der Anlage ihres Vermögens widmen, ist James Brown ein Anachronismus. Er hat sich die Wut des Jungen aus dem Slum von Augusta erhalten.
(...) Er hat eine feine Antenne für jede versteckte Demütigung (das ist keine Ironie!)“ (Michael Goldberg, S. 112). Duftwässerchen und Designerkleidung
Diesen Supermännern gelingt das Unmögliche: „Frauenheld und Abenteurer, Whiskysäufer und Großwildjäger - und dann auch noch Schriftsteller und Dichter!“ Und, wie mann weiß: weltberühmt sind sie auch noch. Sind sie es nicht vielleicht gerade deswegen, weil sie so emsig gesoffen, geprügelt, herumgehurt haben? Genau dies scheinen die Texte zu suggerieren: Die außergewöhnliche Leistung ist das Ergebnis des Exzesses, nicht des Alltagstrotts, wie wir ihn kennen, Hinz und Kunz und Lieschen Müller. Eines Exzesses, wohlgemerkt, vor allem im Konsum: Konsum von Alkohol, Frauen und dem „Abenteuer/Leben“.
'Spiegel‘ und 'Stern sind Hochglanzbroschüren. Der Leser soll konsumieren und genießen wie diese Helden: erstens Frauen (dafür braucht er anscheinend teure Unterwäsche und Duftwässerchen, Designer-Kleidung, überhaupt teures Outfit bis hin zum Wagen und zur Wohnung, teure Geschenke für die Dame), zweitens Alkohol, drittens das Abenteuerleben (Fluggesellschaften, Autos).
Im Beruf soll er jedoch strebsam sein (Anzeigen für teure Chronometer, die ihm die kostbare Zeit zumessen, teure Chef -Sitzmöbel für den kostbaren Hintern und Rücken, teure Büromöbel überhaupt, die allerneuesten Computer). Da Höchstleistungen und Saufen nicht gut zusammengehen, pflegen beide Zeitschriften in ihren Porträts den Supermann, der super leistungsfähig ist, obwohl er säuft und herumhurt.
Nebenbei bemerkt: Die Frau wird bekanntlich einem anderen gezielten Widerspruch ausgesetzt: Sie soll liebevoll kochen für sich und ihre Lieben - und ganz schlank bleiben. Diese subliminalen widersprüchlichen Botschaften werden beide, Frau und Mann, zerreißen und unglücklich machen, das heißt bereit zum tröstenden Konsum, zu den Frust- und Suchtkäufen.
Der 'Spiegel‘ enhält auf 260 Seiten elf ganzseitige Anzeigen für alkoholische Getränke. Kein Wunder, daß der Alkoholiker mit der genialen Leistung besonders herausgestellt wird. Die Redaktionen sind bemüht, den Anzeigenkunden ihr Produkt schmackhaft zu machen, indem sie nachweisen, daß erstens das redaktionelle Umfeld, der die Anzeigen umgebende Text, stimmig ist und zweitens, daß sie die richtigen betuchten und konsumfreudigen Leser haben. Die Supermänner werden in den Heldenepen so aufbereitet, so „positioniert“, daß die Herren Leser an deren „Aura“ teilhaben wollen. Asketischer Geistesriese
'Die Zeit‘ ist keine Hochglanzbroschüre; sie enthält meines Wissens keine Anzeigen für Alkohol oder sonstige Dinge, die das Leben des Herrn bunt und schön machen. Dafür gibt es jede Menge große Anzeigen für Bücher. Der typische Held der 'Zeit‘ ist denn auch der asketische Geistesriese:
Wittgenstein: ...eine vielfach zerrissene, sich selbst und andere quälende und begeisternde Seele ... die schmerzhaften Spannungen ... die in diesem Kopf, in diesem Leben zusammengezwungen und ausgehalten worden sind.
Frege: Der zeit seines Lebens in seiner überragenden Bedeutung nur von wenigen verstandene Professor aus Jena war ... die eigentliche Quelle der weltweit einflußreichsten Philosophie dieses Jahrhunderts, der „analytischen“.
Trakl: „Sein Irrsinn rang mit göttlichen Dingen.“ (Karl Kraus)
Kurt Schumacher: „Eine Flamme, die sich selbst verzehrt.“
Der typische 'Zeit'-Held ist ein Schmerzensmann, der ringend ein großes Werk in der Stille schafft, unverstanden bleibt, sich verzehrt und nach seinem Tod, etwa wie der Prototyp Beethoven, als Titan verklärt wird.
Nach diesem Motto werden männliche Schandtaten verherrlicht. Mindestens aber werden sie mit einem einverständlichen Schmunzeln verharmlost, wobei sich besonders der 'Spiegel‘ stilistisch mächtig ins Zeug legt mit allerlei Anzüglich- und Schlüpfrigkeiten:
Kennedy: Vom ersten Amtstag an ... erfüllt das Thema eins das Weiße Haus mit prallem Leben. (...) Selbst das Oval Office sei nicht unbefleckt geblieben. ...der lustwandelnde Kennedy... ...habe sich Kennedy eindringlich um Hollywoodstars gekümmert...
Unsere Herrenkultur hat die klassischen Figuren des Lausbubs, des Frechdachses, des charmanten Schwerenöters, Herzensbrechers, Schürzenjägers, Weiberhelden hervorgebracht. Für diese Figuren gibt es kein weibliches Pendant.
Die typische Heldentat besteht darin, das Gesetz zu übertreten. Der Mann ist ein Held, egal was er macht. Befolgt er die Gesetze, ist er gut. Befolgt er sie nicht, übertritt er sie, ist er vielleicht noch bewundernswerter.
Für Notfälle gibt es noch das Gleichnis vom verlorenen Sohn, diesem Racker. Ein Gleichnis von einer verlorenen Tochter, der eine rührend liebende Mutter alle Schandtaten vergibt, kennen wir nicht. Abenteuer des
schönen August
In den Frauenzeitschriften ist das Bild des Herrn weniger phallisch aufgereckt und aufgeblasen; gelegentlich wird er sogar kritisiert und ironisiert. Gabriela Schäffling etwa ('Bild der Frau‘) gibt getreulich die „emanzipierten“ Sprüche des Christian Wolff wieder und stellt dann lakonisch fest: „Viel reden läßt er seine Frau, eine Journalistin, aber nicht.“ Im 'Journal für die Frau‘ macht sich Andrea Riepe sogar über einen Herrn lustig.
Die Abenteuer des schönen August. Amadeus August könnte direkt aus einer Anzeige für Herrenparfüm gesprungen sein... Sonnengebleicht ist sein Schopf, blau wie Kristalle seine Augen, Bögen der Tatkraft sein Mund und sein Kinn. Ein verwaschenes Freizeithemd gibt Einblick auf seine gebräunte Sportlerbrust, hauteng spannt die Jeans über seine Dressman -Hüften. (...) Eine Frau soll eine Frau bleiben, doziert er. Zur Beweisführung bemüht er die olle Kamelle von der Autotür, die ein Mann einer Feministin nicht aufhalten darf. Ach, du lieber August! ...er (ist) wohl nicht der richtige Gesprächspartner für Frauenfragen... (S. 46-50)
Kritik und Spott der Frauen sind aber äußerst selten und im Ton verhalten bis mütterlich-liebevoll. Kein Vergleich mit der beißenden Häme, die Männer genüßlich über Frauen ausgießen.
Die 'Brigitte‘ enthält als einzige der hier untersuchten Frauenzeitschriften kein großes Männerporträt, dafür ist aber der Mann in den beiden Frauenporträts (Katharina Franck und Tania Blixen) allgegenwärtig. Jochen Siems etwa bzw. sein Redakteur, der ihm sein schönes sensibles Porträt verhunzt hat - so wurde mir nach dem Vortrag von Eingeweihten berichtet - kann sich nicht darüber beruhigen, daß Katharina Franck, Bandleaderin und Chefin von drei Männern, den Mann derzeit nur für ihre Arbeit braucht. Eine Frau, die sich hauptsächlich für ihre Arbeit interessiert, ist den Männern unheimlich und unsympathisch: „Aber die eine Frage würde dann bleiben: Was hat sie davon?“
Ja wirklich, was haben sie nur alle davon, Wittgenstein und Trakl und Frege und Schumacher und Beethoven und Konsorten?!
Die 'Frau im Spiegel‘, mit Abstand das widerlichste Produkt, das ich untersuchen mußte, kennt nicht die eigenständige Frau, sondern nur das Paar. Die Frau ist interessant durch den Mann oder mit einem Mann, während der Mann auch für sich genommen interessant ist. Und natürlich wimmelt es von Sexismen. Eine Kostprobe: Prinzessin Caroline und ihre Männer. Stefano Casiraghi: (...) Und wenn sie dann will, bin ich bereit, auf meinen Namen zu verzichten, um Prinz von Monaco zu werden.“ (Ist das nicht reizend von ihm?) (...) Dann sollen auch seine Kinder in den Adelsstand erhoben werden. (Wieso seine?) (S.41) Gröbste Sexismen in der 'Zeit‘
Untersuchungen über „Das Bild der Frau ... (Fernsehen, Regenbogenpresse, Schulbüchern)“ gibt es viele, und geändert hat sich dadurch bisher herzlich wenig. So kann auch hier unser gängiges Wissen nur bestätigen: Die Zeitschriften betreiben nicht nur das Geschäft der Heldenverehrung, sondern zugleich auch das der Frauenverunglimpfung. Das eine bedingt ja das andere: Je mehr mann die Frau verkleinert, um so größer erscheint er selbst.
Die gröbsten Sexismen fand ich zu meiner Überraschung in der 'Zeit‘. In deren vornehme Gedämpftheit hat sich ein unflätiger Supermacho verirrt, oder eigentlich zwei. Zuerst zieht der Rezensent über den „klimakteriellen Krampf von Isabel Allende“, die „existentialistisch-politischen Geilheiten der Marguerite Duras“ und die „Frauen- und Schwachsinnsliteratur“ her, und dann führt den genialen Text seines genialen Autors vor: “...die sehnigen Bergbauernfinger ... die abends mit Genuß der ausländischen Dame die Fut massieren, daß ihr der Saft bis in die Socken rinnt.“ Und weiter: „Kollektion preußischer Titten und Mösen abzugeben. Erhaltungszustand mittel. Wenden Sie sich bitte an die Geschäftsleitung.“ (Willi Winkler besingt und zitiert Walter Klier, S. 63.)
Im 'Stern‘ hat mir besonders folgende Passage mißfallen: „Die Säulenheilige der modernen Frauenliteratur (gemeint ist Virginia Wolff) laborierte gleich nervös an ihrer Prosa und ihrer Psyche. Ihre Krisen und schizophrenen Schübe schreiben Biographien einer blockierten Sexualität zu, ihrer ungelösten Frigidität und nicht ausgelebten Bisexualität.“ (S. 69) Biographinnen schreiben Virginia Wolffs Martyrium der Tatsache zu, daß sie als Kind, junges Mädchen und junge Frau von ihren erwachsenen Halbbrüdern sexuell terrorisiert wurde.
Naja, und dann der 'Spiegel‘. Wir wissen es ja, und ich könnte es seitenlang zitieren. Statt dessen begnüge ich mich mit mit einigen wenigen Ekelproben. Zunächst aus dem Hemingway-Artikel, der übrigens den Titel trägt: „War Papa Mamas Opfer?“: „Miss Gertrude Stein in Paris, die kolossale Muse der amerikanischen Exil-Literaten, die den jungen Schriftsteller huldvoll aufnahm in ihrem Salon, die er liebend gern gefickt hätte, wenn sie nicht lesbisch gewesen wäre (d.h.: wenn sie ihn gelassen hätte). (Gunar Ortlepp, S. 208) Übrigens: Stein war nicht nur „Muse“, sondern vor allem selbst Schriftstellerin, eine Klassikerin der Moderne.
Und über das Zuchthaus San Quentin, wo auch Frauen Jobs als Wache haben: „So manche Vollzugsbeamtin, die vom Kindergarten bis zu ihrem Job bei 'Safeway‘ stets litt wegen ihrer kurzen dicken Beine und ihrer üppigen Hüften, ihrer vorstehenden Zähne und ihres schwach entwickelten Busens - hört in San Quentin erstmals in ihrem Leben Komplimente.“ (Helmut Sorge, S. 182)
Nanu - üppige Hüften und schwach entwickelter Busen schon im Kindergarten?? Der Autor gehört wohl nicht zu den schärfsten Denkern und opfert die Plausibilität gern der Häme.
Das Lesen von Schrott stumpft ab. Nach drei Tagen bist du nicht mehr so wählerisch und schon ganz begeistert, wenn ein Artikel mal halbwegs vernünftig ist. Auf das frauenverdummende Drumherum achtest du dann schon gar nicht mehr. So erging es mir mit dem 'Journal für die Frau‘, das mir plötzlich als Quelle der feministischen Weisheit vorkam.
Mit dieser Einschränkung also möchte ich folgendes Ergebnis verkünden: Aus dem Test ist das 'Journal für die Frau‘ als Siegerin hervorgegangen. Es enthält, wie gesagt, ein ironisch-distanziertes Männerporträt (A. August von Andrea Riepe) und zwei vernünftige, informative Frauenporträts (Paula Modersohn-Becker von Monali Hierl und Sophie Freud Löwenstein von Walter Unger).
Die saure Gurke haben sich der 'Spiegel‘ und seine Namenscousine 'Frau im Spiegel‘ redlich verdient.
SAMSTAG, 24/6/89FRAUEN11
Selbstgefällig und aufgeblasen - die Herrenkultur
Foto: Magda Taroni
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