: SAMSTAG
■ V O R L A U F
Was würde bloß aus uns werden, wenn wir das Fernsehen nicht hätten, das uns in unermüdlicher Wühltätigkeit mit den Sinnfragen des Lebens konfrontiert: Das Rätsel der Gefühle zu lösen, hat sich das ZDF in einer sechsteiligen Reihe vorgenommen und beginnt damit um 14 Uhr. „Kein Leben ohne Hoffnung“ heißt die erste Folge, in der „erläutert“ werden soll, warum wir „in einer Zeit, die voll ist von Katastrophen“, die Hoffnung zum Überleben brauchen. Dann hoffen wir also mal zuversichtlich, daß sich die Katastrophen unsere Gefühle hinter die Ohren schreiben.
Um 14.30 zeigt das ZDF den schön-chaotischen Feuerwehrball (1967) über Vereins- und Festmeierei, über Dorfschönheitsköniginnen und trunkene Feuerwehrveteranen, den Milos Forman noch in der Tschechoslowakei gedreht hat, bevor er in die USA ging. Und dann kommt lange nichts, bis die ARD um 17.55 ihr Damenprogramm mit der Übertragung des DFB-Pokal-Endspiels aus Berlin beginnt: Borussia Dortmund gegen den SV Werder Bremen. Die Herren können sich währenddessen an die Vorbereitung des Abendessens machen. Aber um 20.15 muß gegessen sein, damit sich jeder auf Bayern 3 Christoph J. Müllers vorzüglichen Film Vom Traum zum Alptraum ansehen kann: Der Schweizer Installateur Werner Bruni ist 1979 Lottomillionär geworden und mußte sieben Jahre später Konkurs anmelden. Unbeholfen, wie so ein Mensch im Geldrausch ist, hat Bruni seinem Chef die finanzielle Verantwortung übertragen und ist damit gründlich baden gegangen. Müller dokumentiert diese Odyssee mit kühl -teilnehmendem Blick, wackelt nicht mit dem moralischen Zeigefinger und melkt auch keine Tränendrüsen.
Das Melken von Tränendrüsen besorgt die ARD um 20.15 in der Rudi-Carrell-Show. Was ich da schon für Rührungstränen vergossen habe, wenn Onkel Rudi uralte Freunde und Freundinnen vor der Kamera zusammenführt. Wer aber nicht weinen und keine Star-Plagiate sehen will, den reißt das ZDF zu „stürmischen Lachsalven“ hin. Antreten zum Wiehern: um 20.15, wenn die Bud Spencer/Terence Hill-Klamotte: Vier Fäuste für ein Halleluja ins Wohnzimmer kracht. Um 23.35 allerdings besinnt sich das ZDF wieder auf hochgepflegte Krimi-Spannung von Costa Gavras: Mord im Fahrpreis inbegriffen, mit Yves Montand, Simone Signoret und Michel Piccoli. Ein Film zum Nägelkauen, in dem ein ruchloser Mörder zuerst eine Zugreisende umbringt, und danach, in Paris, weitere Mitgereiste aus dem Abteil. Nicht ausgedacht, sondern real waren die zahlreichen Gatten- und Verwandten -Giftmorde der Bremerin Gesche Gottfried im letzten Jahrhundert. Aus ihrem Leben und ihren Motiven hat Karl Fruchtmann 1980 mit Sabine Sinjen das Fernsehspiel Gesche Gottfried gemacht, das um 21.05 auf 1 Plus wiederholt wird.
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