: Dosenbier als Währungseinheit
14Jahre Bürgerkrieg in Angola: Bauern und die städtischen Armen zahlen die Zeche im Kampf zwischen Regierung und Unita-Rebellen ■ Von Knut Pedersen
„Die Nelken-Revolution der Offiziere in Portugal hat die Blumen aufs Grab Angolas geworfen.“ Dieser bittere Satz eines alteingesessenen portugiesischen Siedlers, der seit der Unabhängigkeit Angolas im Jahre 1975 „trotz allem weitermachen“ wollte, bringt nicht nur koloniale Nostalgie zum Ausdruck. Denn die Geschichte Angolas seit der Unabhängigkeit ist eine Geschichte von Bruderzwist, Gewalt und Not. Seit 14 Jahren verkündet die „marxistische“ MPLA -Regierung jedes Jahr zur Herbstzeit den „Endsieg“ über die „Banditen“ der Unita Jonas Savimbis, die sich im unzugänglichen Südosten des Landes fest eingenistet haben. In Luanda lauschen die Einwohner einer Hauptstadt ohne Geschäfte, Cafes oder Taxis dem Propagandaschwall des „schwarzen Hahns“ - des Rebellensenders der Unita. „Nur um zu wissen, was die andere Seite sagt“, erklären die meisten und fügen illusionslos an: „Lügen tun die einen wie die anderen.“
14 Jahre Bürgerkrieg in Angola, das beduetet für die zehn Millionen Einwohner zählende Bevölkerung eines der potentiell reichsten Länder Afrikas: 600.000 Vertriebene, mehr als 100.000 von „Anti-Personen-Minen“ verstümmelte Krüppel und rund eine Million „völlig von Auslandshilfe abhängige Menschen“. Während Angola noch 1974, am Vorabend seiner Unabhängigkeit, jährlich 215.000 Tonnen Kaffee produzierte, sind es heute nur mehr 11.000 Tonnen. Aus Angst vor Minen bestellen die Bauern ihre Felder nicht mehr. Sie wandern in die Slums der Städte ab, wo sie rasch die unbarmherzigen Gesetze des Candonga lernen, eines Schwarzmarktes, auf dem Dosenbier als Währungseinheit fungiert und das Warenangebot fast ausnahmslos gestohlen ist - meist direkt per Container aus dem Hafen Luandas.
Die Lebenserwartung in Angola liegt heute bei knapp 40 Jahren. Die Einheitspartei, die „Volksbewegung für die Befreiung Angolas“ (MPLA), hat lange schon abgewirtschaftet. Von den schönen Versen Augustino Netos sind nurmehr verstaubte Exemplare in leeren Schaufenstern geblieben. Derweil feuert die Nomenklatura rauschende Feste hinter verschlossenen Fenstern, während die Bevölkerung täglich nach Möglichkeiten des Überlebens sucht. Der Devisenhandel und Schmuggel ist für die einen wie für die anderen zur lukrativen Erwerbsquelle geworden. Dank 800prozentiger Überbewertung der einheimischen Kuanza-Währung kann man erster Klasse nach Portugal fliegen und von dort „Tauschobjekte“ nach Hause bringen. Die Rechnung begleicht de facto die Zentralbank.
Vor solchem Hintergrund ringen MPLA-Regierung und Unita -Rebellen um die Herrschaft im Lande. Die einen mit Unterstützung von rund 50.000 kubanischen Soldaten und sowjetischen Waffen, die anderen an der Seite südafrikanischer Truppen, die bislang von Mineralwasser übers Dosenfleisch bis zur Munition alles in „befreite“ Unita-Gebiete im südöstlichen Landeszipfel brachten. Im Transit durchs nachbarliche Zaire wurden zudem für die „Freiheitskämpfer“ Savimbis amerikanische Waffen eingeflogen - seit 1985 offiziell im Wert von 15 Millionen Dollar pro Jahr. Im Weißen Haus und im ebenso fernen Kreml galt der angolanische Bürgerkrieg jahrelang als „schwelender Randkonflikt“, in dem - je nach Sichtweise - kubanische barbudos gegen „südafrikanische Rassisten“ oder „freiheitsliebende Demokraten“ gegen „marxistische Diktatoren“ kämpften.
Nach dem Abschluß - im vergangenen Dezember - des regionalen Friedensabkommens, das den Abzug des kubanischen Expeditionsheeres an die künftige Unabhängigkeit Namibias „bindet“, ist der interne Konflikt in Angola freilich für die Supermächte zum Stein des Anstoßes geworden. Amerikas langjähriger Afrikaexperte Dr. Chester Crocker hatte noch parallel zu den Verhandlungen mit Südafrika, Angola und Kuba Druck auf Savimbi ausgeübt, sich doch zumindest vorübergehend ins „freiwillige“ Exil zurückzuziehen. Aber nach 23 Jahren Buschkrieg hat der Unita-Chef den „goldenen Käfig“ rundweg ausgeschlagen. Savimbi forderte Direktverhandlungen, ein Waffenstillstandsabkommen, die Bildung einer „Übergangsregierung“ und „freie Wahlen“, bei denen er als Präsidentschaftskandidat anzutreten gedenkt.
Auf der Regierungsseite hat man sich unter steigendem Druck von außen schließlich zu einer „Politik der nationalen Harmonisierung“ durchgerungen. Deren Konzeption ist einfach: Es bleibt beim Einparteienstaat, in den „reumütige Banditen“ von gestern als verlorene Söhne integriert werden sollen. Nur Jonas Savimbi wollte man in Luanda nicht sehen - wegen seiner „Kriegsverbrechen“ und wohl auch, weil seine expansive Persönlichkeit die eher blassen Figuren des gegenwärtigen Kabinetts leicht in den Schatten zu stellen droht. Das Problem ist nach dem „diplomatischen Durchbruch“ in Gbadolite noch immer ungelöst - wie im übrigen alle anderen Probleme einer vom Bürgerkrieg unendlich müden Bevölkerung.
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