Liebe tierische MitbürgerInnen!

■ Franz von Assisi predigte im Rembertikreisel vor den tierischen sozialen Diensten

Am letzten Junisonntag kam Franz von Assisi auf seiner Wanderung durch das europäische Hoch durch Bremen. Er war in der Nacht durchs Buntentor hereingewandert, hatte im Bürgerpark hinter dem Schwulentreff ausgiebig geschlafen und machte sich nun auf die Suche nach einem passenden Gottesdienst. Dem Sog der Wagen und Fußgänger folgend, gelante er zum Flohmarkt vor der Stadthalle, wo sich das hohe und niedere, das tagenbare und das multikulturelle Volk versammelte. Allein, Franz hatte den Gottesdienst in den Tempeln des Konsums schon in Italien als eine für ihn zu indirekte Form verworfen. So wanderte er hinüber zur Zeltmission und ließ sich dort zu einem wohlschmeckenden Tee mit Milch, Zucker und Keks einladen und wurde von dem fröhlichen Alkoholiker, der neben ihm den Tee einnahm, um zwei Mark fünfzig gebeten. Er gab ihm die sieben mal sieben Pfennige, der er noch besaß und ging weiter, etwas bedrückt, ob er dem Appell von Jesaia, Vers 58, und Dr. Henning Scherf auf dem Missionsflugblatt genüge getan hatte, allen im Volk zu helfen, die Hilfe brauchten, das Joch von ihrem Hals zu nehmen und den Hungrigen zu essen zu geben. Von den Durstigen war nicht die Rede und wie er den Dr. Scherf kannte, war das kein Zufall, aber Bruder Franz fühlte sich dennoch unwohl.

So folgte er einem streunenden Hund bis zu in einer grünen Insel inmitten rauschenden Asphalts, es war der Rembertikreisel. Dort setzte sich der Hund auf die Hinterpfoten und forderte den Heiligen Franz auf, für die Nachkommen der Bremer Stadtmusikanten ein paar so passende Wort zu finden wie für die Vögel am Hang von Assisi. Und plötzlich saßen da alle Spatzen aus Stein-, Oster-Bunten-und Doofentor und alle feisten Ringeltauben vom Dom und die Amsel, die Franz morgens wachgesungen hatte und die Katzen, die noch nicht für Tierversuche weggefangen waren und die Pinscher und die Schäferhunde und dankten in einem kleinen Eingangschoral für Gott, die Welt und das angenehme Wetter und dann sprach Franz also:

Liebe tierische Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe stadtmusikantische Nachfahren. Ihr seid es, die den Mühseligsten und Beladensten, den Ärmsten und den Einsamen, den Alkoholikern und den hoffnungslosen Punkern ihr Joch schleppen helft, so daß sie noch ein bißchen Spaß haben hier unten und ein bißchen Gesellschaft. Ihr Amseln weckt die Verquiemelten wie die Gewaschenen ohn Ansehen des Gesichts, Ihr Schäferhundverschnitte und Du getigerte Dogge, Ihr geht mit den Drogisten und Alkoholikern jeden Weg ohne Knurren, und Ihr fliegenbeinigen Pinscher und PinscherInnen seid außer der Glotze der einzige kommunikative Balsam für die alten Frauen, mit denen ihre Kinder nicht reden und denen die Freunde gestorben sind. Tag für Tag ertragt ihr das Gedröhn und Gesäusel, Chips und Crackers, den Zorn der Stadt über Eure Scheiße, das Reißen an euren Halsbändern, das Joch unter euren Halsbändern und tut weiter Euren Dienst. Der Vater im wahnsinnsblauen Himmel hat mich vorbeigeschickt, Euch das mal zu sagen.

Uta Stolle