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Psycho Bop und Folkjazz

■ Gelungener Auftakt der neuen Reihe „Jazz im Zentrum“

Es bewegt sich was in der Bremer Jazz-Szene. Nachdem das Dix‘ das Handtuch schmeißen mußte und im Keller des Tivoli wieder die Betulichkeit eingezogen ist, hat sich nun ein neuer Veranstaltungsort für modernen Jazz aufgetan. Zusammen mit der Musiker Initiative Bremen (MIB) hat die Angestelltenkammer eine neue Konzertreihe aus der Taufe gehoben. „Jazz im Zentrum“ soll „neue deutsche und internationale Jazzproduktionen“ live präsentieren. Daß sich die Angestelltenkammer auf dieses, sonst von der gewerkschaftlichen „Kulturarbeit“ eher vernachlässigte, Terrain begibt und ihren neuen „Kultursaal“ dem modernen Jazz öffnet, ist sehr zu begrüßen. Wenn auch der Saal am Samstagabend nur halbvoll wurde, so war es dennoch ein vielversprechender Auftakt. Den ersten Set bestritt die Peter Apel Kombo. Das Trio Peter Apel (git, voc), Reinhart Hammerschmidt (b) und Achim Langer (dr) bezeichnet seine Musik als „Psycho Bop“. Das Konzept ließ Assoziationen an die Musik von John Zorn aufkommen. Die meisten Stücke sind

musikalische Collagen, durch abrupte Pausen strukturiert und zusammengesetzt aus ganz unterschiedlichen Stimmungen. Apels Gitarrenspiel steht dabei deutlich im Mittelpunkt des Geschehens. Durch diverse Effektgeräte modifizierte er den Klang seines Instruments ständig. Was eben noch eine klassische Jazzgitarre ist, klingt im nächsten Moment wie Chuck Berry's bluesige Rockgitarre und im übernächsten wie eine akustische. Apel setzt seine Elektronik sehr prägnant ein, verliert sich nicht in technodominierten Spielereien, sondern ordnet sie seinen klaren Klangvorstellungen unter. Dabei beherrscht er sein Instrument ausgezeichnet, besonders seine Soli beeindrucken durch Kraft und Witz. Hammerschmidt spielte einen sehr relaxten, melodischen Baß, der von Zeit zu Zeit in erstaunliche Free-Sequenzen ausbrach, ebenfalls gekonnt und einfallsreich. Schlagzeuger Langer kommt in diesem Konzept die Aufgabe zu, die auseinanderstrebenden Momente zusammenzuhalten. So spielte er zurückhaltend, nichtsdestotrotz präsent. Der „Psycho

Bop“ der Peter Apel Kombo klingt wie nachtschwarze musikalische Kurzerzählungen, lakonisch erzählt mitten im ebenso geschäftigen wie einsamen Treiben einer Großstadtkreuzung; so aufregend, so lebendig und so traurig wie die Straße. Den zweiten Set spielte die Gruppe Sprinx. Die Musik von Sprinx erinnerte in weiten Teilen an die frühen Piirpauker: angerauhter, freier Folkjazz. Dabei kam mir das meiste „schon-mal-gehört“ vor. Besonders Saxophonist Martin Verborg spielte mit vielen Zitaten. Das rauhere Element vertrat Gitarrist Thomas Mävers, der die dominanten melodischen Linien mit verzerrter Gitarre und Rockelementen durchsetzte. Bassist Hammerschmidt leistete - anders als im ersten Set - vornehmlich Rhythmusarbeit, ebenso wie Drummer Jens Ahlers. Am besten gefiel mir das Stück „Nightmare of a lorry“, das die Probleme eines Lastwagenfahrers auf Parkplatzsuche in musikalische Rush-Hour-Stimmungen umsetzte. Fazit: Ein gelungener Auftakt von „Jazz im Zentrum“.

Arnau

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