„Überzeugungstäter“ Blüm im Apartheidstaat

Gespräche mit Kirchenvertretern und Gewerkschaftern / Erste Reise eines hohen bundesdeutschen Politikers nach Südafrika seit zehn Jahren / Realität des Apartheidstaats: Pestizidanschlag auf Kirche / Minister Blüm baut auf Dialog / Besuch in BMW-Werk geplant  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Die Grünen nennen es „blauäugige Schau“, aber Norbert Blüm scheint an seine Mission zu glauben: Das Eintreten für Menschenrechte sei keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates, meinte der Bundesarbeitsminister gestern in einer kurzen Ansprache vor Vertretern des südafrikanischen Kirchenrates (SACC) in Johannesburg. Blüm, der sich auf einer viertägigen Informationsreise im Apartheid-Staat befindet, hatte zuvor unter anderem mit SACC-Präsident Bischof Manas Buthelezi und Generalsekretär Pastor Frank Chikane gesprochen. „Menschenrechte sind systemunabhängig“, meinte Blüm. Es sei die wichtigste christliche Botschaft, daß alle Menschen vor Gott gleich seien.

Der „Überzeugungstäter in Menschenrechtsfragen“, wie ihn die Unionsrechte nennt, betonte, daß es nur zwei Wege gebe, die südafrikanische Situation zu lösen: „den Weg des Dialogs oder den der Gewalt“. Er plädiere für eine friedliche Lösung. „Es sind Gespräche notwendig mit der authentischen Opposition in Südafrika, und zwar in einem Vertrauensklima, ohne Ausnahmezustand.“ Chikane wies darauf hin, daß die Kirchen schon immer für Verhandlungen plädiert hätten. „Aber die weiße Regierung will nicht verhandeln.“ Der schwarze Prediger, auf den bei seiner jüngsten US-Reise ein Mordanschlag verübt worden war (man hatte seine Kleidung vergiftet), präsentierte Blüm eine weitere Aktion: in der Nacht zum Montag waren hochgiftige Pestizide in eine Kirchenkapelle gespritzt worden, in der gestern abend die Eröffnungsfeier für die SACC-Jahreskonferenz stattfinden sollte. „Deshalb haben wir international zur Verhängung von Sanktionen gegen Südafrika aufgerufen“, sagte der Generalsekretär. Chikane zufolge hat die BRD als wichtiger Handelspartner Südafrikas große Einflußmöglichkeiten auf den Apartheidstaat. „Ich hoffe, Herr Blüm wird die deutsche Regierung dazu bewegen, eine führende Rolle beim Zustandebringen von friedlichen Verhandlungen zu spielen.“

Blüm sagte auf Nachfrage, daß vor allem die Wirksamkeit von Sanktionen wichtig sei. „Ich glaube aber nicht, daß den Menschen hier mit umfassenden, globalen Sanktionen geholfen wird.“ Zudem müßten Sanktionen EG-einheitlich verhängt werden. Das nächste Jahr werde für Südafrika entscheidend sein. „Die südafrikanische Regierung steht unter dem Druck der Weltöffentlichkeit.“ Für gestern nachmittag war eine Werksbesichtigung bei BMW in Südafrika geplant, danach ein Gespräch mit dem amtierenden südafrikanischen Arbeitsminister Eli Louw.

Blüms Reise, die erste eines Mitglieds der Bundesregierung seit 1978, trifft zusammen mit einem mehrtägigen Europabesuch des Führers der regierenden Nationalen Partei in Südafrika, Frederick De Klerk. De Klerk, der letzte Woche in Bonn von Bundeskanzler Helmut Kohl empfangen wurde, wird nach den Parlamentswahlen Anfang September wahrscheinlich Staatspräsident in Südafrika werden. Die Reise des Botha -Nachfolgers wird in Südafrika als großer Erfolg gewertet. Beobachter meinen, daß Kohl und Margaret Thatcher bereit sind, auf einschneidende Reformen der Apartheid bis nach De Klerks Amtsübernahme zu warten. De Klerk selbst zeigte sich beeindruckt von dem „starken Realismus“ unter europäischen FührerInnen.