: Dokumentation: Aids-Hilfe und AK-Drogen zu Methadon
■ „Wir fordern dringend eine Erweiterung der Substitutionsbehandlung“
Heute findet die Sitzung der SPD-Bürgerschaftsfraktion zu einem Thema statt, das intern bereits hohe Wellen geschlagen hat: die Vergabe von Methadon. Eine Mehrheit, angeführt von Sozialsenator Scherf möchte den bisherigen Zustand der beschränkten Ausgabe festschreiben. Wir veröffentlichen im Folgenden Auszüge einer Stellungnahme des AK Kommunale Drogenpolitik und der AIDS-Hilfe Bremen zum Problem der Substitution.
Aus der täglichen Arbeit mit konsumierenden Drogenabhängigen auf der Scene, mit an AIDS-Erkrankten, die substituiert werden, mit Drogenabhängigen, die sich im Knast, in der Psychiatrie oder in Therapie befinden, halten wir die enge Beschränkung der Substitutionsbehandlung ... für unangemessen. Dies wollen wir an drei Beispielen zeigen:
1. Eine Drogenabhängige, die ihren Drogenkonsum wie viele Frauen mit Beschaffungsprostitution finanziert, bricht sich einen Arm. Schließlich läßt sie sich in der Chirurgie den Arm richten und eingipsen. Da sie nicht substituiert wird, sieht sie sich gezwungen, weiterhin anschaffen zu gehen; um Freier zu bekommen, entfernt sie vorzeitig den Gips. Der Arm konnte nicht richtig zusammenwachsen.
2. Ein drogenabhängiger und HIV-infizierter Mann, Lebensgefährte einer an AIDS erkrankten Drogenabhängigen, die mit Methadon substituiert wird. Er kann/will nicht clean leben, versucht seinen Konsum möglichst niedrig zu halten und möchte ebenfalls substituiert werden. Durch seinen fortgesetzten Heroin-Gebrauch ist für sie ein Verzicht auf Beigebrauch von Heroin und anderen Suchtstoffen kaum durchzuhalten. Was wäre die Lösung: Die beiden trennen sich, er zieht aus? Sie bekommt Methadon, er entzieht und soll clean leben? Wir sind überzeugt, daß bei diesem Paar eine Substitutionsbehandlung auch für ihn ein angemessener Weg wäre, ...
3. Ein drogenabhängiger Mann, der längere Zeit wegen einer schweren Herzerkrankung und - operation Methadon bekam, lebte mit seiner Frau und seinem Kind zusammen. Als sich sein Gesundheitszustand stabilisiert, wird ihm die Weiterbehandlung mit dem Substitutionsmittel verweigert. Seine wiederholten Bemühungen, erneut eine Genehmigung zu bekommen, werden von seinem Hausarzt unterstützt, bleiben jedoch erfolglos. Er beginnt wieder regelmäßig Heroin zu nehmen, schließlich stirbt er an einer Überdosis.
Aus unseren Erfahrungen in der psychosozialen Beratung und Betreuung von Drogenabhängigen fordern wir dringend eine Erweiterung der Substitutionsbehandlung, vorrangig für folgende Personengruppen:
-langjährig Drogenabhängige, die mehrere gescheiterte Therapien und Gefängnisaufenthalte hinter sich haben
-Drogenabhängige, die sich aufgrund akuter gesundheitlicher Probleme in stationäre Behandlung begeben müßten, diese aber ohne Substitution nicht durchführbar wäre
-Drogenabhängige, bei denen eine Inhaftierung droht, die die soziale Situation verschlechtern und ein zusätzliches Infektionsrisiko hervorrufen würde
-entzugswillige Drogenabhängige, die sich den „kalten Entzug“ nicht zutrauen
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