: „Es war unmöglich, aus dem Laden rauszukommen“
■ Der Betreiber der Disco „Basement“, Gernot Heinle (36), zum Angriff von Anhängern der linken Szene auf das Lokal / Der Laden wurde von über 60 Leuten umstellt und mit Steinen bombadiert, weil sich drinnen eine Gruppe Skinheads aufhielt
taz: Am Samstag gegen zwei Uhr morgens wurde das „Basement“ Objekt eines Großangriffs von Angehörigen der linken Szene. Du warst in dem Laden, was ist genau passiert?
Gernot Heinle: Wir hatten ganz normal Discothekenbetrieb, daß heißt, wir hatten hatten keine Türsteher und haben keinen Eintritt kassiert. Gegen zwei Uhr hat es fürchterlich geknallt und gerumst, der ganze Laden ist voller Gas geschossen worden, woraufhin ich versucht habe, die Notausgänge zu öffnen, die jedoch von außen mit Müllcontainern verbarrikadiert worden waren. Auf der Mauer im Hof haben sich rund 15 Personen aufgehalten, die mit Knüppeln und Flaschen bewaffnet waren. Die haben sofort den Notausgang angegriffen, den ich daraufhin sofort wieder zumachen mußte. Es hat keine Möglichkeit mehr bestanden, aus dem Laden rauszukommen, weil vorne Hunderte von Steinen gegen die Fassade geschmissen worden sind und die ersten Leute, die rausgelaufen sind, wirklich blutüberströmt wieder reingefallen sind. Wir haben hinter dem Tresen, soweit es ging, erste Hilfe geleistet. Drinnen haben sich die Leute dann teilweise bewaffnet, indem sie die Hocker zertrümmerten und die Stuhlbeine abrissen. Durch das Eingreifen der Polizei draußen ist dann das Schlimmste verhindert worden.
Was waren die Angreifer für Leute?
Die waren für mich als Personen direkt gar nicht zu erkennen, weil wir im Laden selbst durch das ganze Gas gar nichts mehr sehen konnten.
Was war der Grund für den Angriff?
Im Nachhinein habe ich rausgefunden, daß einer, der normalerweise zu unseren Gästen zählt, sich vor dem Lokal angemacht gefühlt hat. Daraufhin ist er den Mehringdamm runter, hat noch zwei Leute getroffen, die ihm entgegen kamen - es waren wohl Punks - hat denen gesagt, der ganze Laden ist voller Nazis, geht da bloß nicht rein. Dann ist er an einen anderen Veranstaltungsort gegangen, wo ausgerechnet an dem Abend ein Konzert stattfand, mit linksgerichteten Gruppen - aber so genau bin ich da nicht informiert - und hat dort wohl verbreitet, da oben sind Nazis im Lokal. Das muß dann in den entsprechenden Kreuzberger Kneipen rumgegangen sein wie ein Lauffeuer. Daraufhin haben sich diese Leute bewaffnet und sind den Mehringdamm hochgestürmt
-mir wurde gesagt, daß es zwischen 60 und 80 Leute waren. Was dann kam war richtiggehend geplant: Erst haben sie das ganze Ding umstellt - drinnen war jeder ahnungslos - und dann gings los. Das Ganze hat bestimmt eine Stunde gedauert.
Nach Angaben der Polizei haben sich rund 60 Anhänger der rechtsextremen Szene in dem Lokal aufgehalten.
Die Zahl 60 halte ich für entschieden zu hoch, aber es waren ohne Frage rechtsextreme Leute in dem Lokal. Eine ganz kleine Gruppe von ihnen hat sich durch unangenehme Sprüche, wie „Sieg Heil“ hervorgetan. Ansonsten war das Publikum rund 100 Leute - gemischt. Dazu möchte ich sagen, wir vom Basement mit den Leuten leben, die bei uns reinkommen, das zeigt schon die Tatsache, daß wir keinen Türsteher haben. Wir haben diese Leute genauso behandelt und bedient wie wir jeden Gast behandeln.
Hat sich das Publikum des Basement in der letzten Zeit verändert?
Das Publikum hat sich ohne Frage verändert. Allerdings muß man dazu sagen, daß wir nun eine ganze Reihe von Veranstaltlungen machen, früher hatten wir keine besonderen Schwerpunkte. Heute machen wir sowohl „Metall„-Abende als auch „Ska„-Abende als auch „Reggae“ und weiß der Himmel was. Nachdem unsere „Ska„-Abende am Montag einen gewissen Erfolg hatten kamen am Wochenende immer mehr Skins - links- und rechtsgerichtete - also aus beiden Lagern.
Seit wann ist das so?
Ich bin der Meinung, daß sich das Publikum nach den Wahlen und dem 1.Mai insofern geändert hat, als daß sich die Leute jetzt offen zu ihrer Gesinnung bekennen, was früher nicht der Fall war.
Was bedeutet es das veränderte Publikum für dich als Betreiber?
Das heißt offensichtlich, daß man einen offenen Laden überhaupt gar nicht mehr machen kann in dieser Stadt. Oder daß man sich entscheiden muß, nehme ich die einen oder nehme ich die anderen in Kauf, wenn man vermeiden will, daß es zu irgentwelchen Reibereien und Auseinandersetzungen kommt.
Was heißt das konkret für die Zukunft des Basement?
Ich stehe wirklich noch unter den Eindruck der ganzen Sache. Das Mobiliar ist mehr oder weniger zerstört. Im Augenblick weiß ich wirklich noch nicht, ob ich das Lokal wieder aufmachen werde oder nicht, weil ich keine Lust habe, einen Laden zu machen, wo ich jeden Abend zwei Türsteher brauche.
Der letzte Vorfall dieser Art war im vergangenen Jahr im Quartier Latin. Warum tun sich Konzertveranstalter und Discothektenbetreiber nicht zu zusammen und überlegen man tun kann.
Die Sache wird mit Sicherheit in der nächsten Zeit noch viel mehr eskalieren. Ich finde unbedingt, daß sich Leute mit ähnlichen Geschäften wie dem meinen mal zusammentun sollten oder auch die Konzertveranstalter.
Sollten die Überlegungen in Richtung organisierter Selbstschutz gehen?
Den kann man gar nicht organisieren. Ich finde, das sich auch die rivalisierenden Gruppen mal unterhalten sollten ob das so wahnsinnig sinnvoll ist, was sie da veranstalten. Schließlich machen die damit auch ein Stück Kultur kaputt.
Interview: plu
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