piwik no script img

Liebe Ingrid

Mag ja sein, daß dem Richter Arend „die Galle hätte hochkommen mögen“ bei Deinem Schlußwort. Uns ist sie jedenfalls hochgekommen bei diesem Urteil gegen Dich, und das wollen wir mit diesem offenen Brief auch deutlich machen.

Daß dieses Urteil auf der Grundlage eines in sich zweifelhaften und im konkreten Fall nicht einmal richtig durchgeführten BKA-Programmes gefällt wurde, ist dabei nur ein Aspekt.

Wenn Themen wie die Asyl- und AusländerInnenpolitik, Sextourismus und Gen- und Reproduktionstechnologie als „anschlagsrelevant“ gelten und die Beschäftigung damit - wie der Richter ausführte - als Anzeichen für die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gewertet werden, dann müßten viele fortschrittliche Menschen, auch ein Großteil unserer DFB-Frauen, wegen § 129 a ins Gefängnis.

Und wir alle sollen mit diesem harten Urteil gegen Dich eingeschüchtert werden. Denn auch uns sind diese Themen „auf den Leib geschrieben“, da sie uns betreffen als Frauen in einer Gesellschaft, in der Frauenkörper zur Ware und zum Experimentierfeld für die Gen- und ReproduktionstechnologInnen werden und wo allem Gerede zum Schutz des ungeborenen Lebens zum Trotz, schwangere Frauen in Kriegsgebiete abgeschoben werden.

Nach den Schlappen in den letzten § 129 a-Verfahren, zum Beispiel die Aufhebung des Beugehaft-Beschlusses gegen die Bochumerin durch den BGH, mußte wenigstens in Deinem Fall ein „Erfolg“ sprich eine Verurteilung erreicht werden. Nur so kann die Kriminalisierung der Protest- und Widerstandsbewegung gegen Gen- und Reproduktionstechnologien, gegen Sextourismus und Abschiebungen und Programme wie die Rasterfahndung oder das Weckerprogramm gerechtfertigt werden.

Wir sind uns bewußt, daß wir im ureigensten Interesse handeln, wenn wir Deine Freilassung im Revisionsverfahren fordern.

Bis dahin wünschen wir Dir Kraft und grüßen Dich schwesterlich

Mechthild Renkeloff, Demokratischer Frauenbund Berlin, Berlin 31

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen