: „Einen absoluten Schutz gibt es nicht“
Ministerialrat Joachim Koch vom Bundeswirtschaftsministerium zum Rohstoffabbau ■ I N T E R V I E W
taz: Bonn war maßgeblich an der Ausarbeitung des Antarktis -Rohstoffabkommens beteiligt. Welche Linie wurde dabei verfolgt?
Joachim Koch: Das Wirtschaftsministerium hat versucht, in dem Abkommen den Schutz der Umwelt zu verankern und Ressourcenaktivitäten nur zuzulassen, wenn das leicht verletzliche Ökosystem der Antarktis nicht gefährdet wird. Dies wird gewährleistet durch Artikel 4 des Vertrags, der den Schutz der Umwelt festschreibt, und durch das vorgesehene Verfahren, das einen Rohstoffabbau solange verbietet, bis er nach einer eingehenden Umweltverträglichkeitsprüfung durch einen Konsensentscheid der Rohstoffkommission freigegeben wird.
Daß das Rohstoffabkommen bestimmte Barrieren vorsieht, bestreitet niemand. Trotzdem wäre ein Moratorium oder ein klares Verbot jeglichen Rohstoffabbaus mit der Einrichtung eines Weltparkes Antarktis der effektivere Schutz.
Über den Weltpark ist bereits in den 70ern gesprochen worden. Damals kam der Vorschlag von Neuseeland. Aber die Konsultativrunde konnte sich nicht einigen und hat dann 1981 beschlossen, ein Abkommen zu mineralischen Ressourcen auszuarbeiten.
Gegenüber diesem sogenannten Rohstoffabkommen gibt es weltweit ein großes Mißtrauen, weil man aus der politischen Erfahrung weiß, daß diese Paragraphen dann doch dazu führen, daß sie umgangen und daß Rohstoffe abgebaut werden.
Natürlich können alle Vorschriften umgangen werden. Einen absoluten Schutz gibt es nicht, auch ein Totalverbot könnte umgangen werden. Auch dann kann Ihnen niemand eine Garantie dafür geben, was im Falle einer Rohstoffverknappung wirklich geschehen würde.
In dem Abkommen heißt es, daß nach einem Rohstoffabbau der ursprüngliche Zustand der Natur wiederhergestellt werden muß. Das klingt absurd, solch eine Wiederherstellung ist doch unmöglich.
Natürlich kann nicht derselbe Naturzustand wiederhergestellt werden. Aber eine Rekultivierung ist schon möglich. Man kann die Natur durchaus in einem vernünftigen Zustand zurücklassen. Denken Sie nur an das rheinische Braunkohlegebiet, wo Flächen wieder der Landwirtschaft übergeben oder für Erholungszwecke eingerichtet wurden.
Das hochsensible System der Antarktis ist kaum mit rheinischem Braunkohle-Tagebau zu vergleichen.
Sicher. Aber im Moment denkt ja auch wirklich niemand daran, in der Antarktis Bergbau zu treiben. Man weiß über die Rohstoffvorkommen noch viel zu wenig. Und auch aus Kostengründen ist der Abbau im Moment nicht relevant.
Gerade jetzt, wo der wirtschaftliche Druck noch nicht so stark ist, muß man doch einen weitgehenden Schutz etablieren. In 20 Jahren, wenn der Bagger kommt, ist es zu spät.
In 20 Jahren wird noch gar nichts passieren. Die Vorräte bei fast allen Rohstoffen werden noch sehr viel länger ausreichen.
Um so bessere Chancen für ein Verbot.
Es gibt ja faktisch ein solches Verbot durch das Rohstoffabkommen. Das Verbot wird nur aufgehoben, wenn sichergestellt ist, daß durch einen Eingriff die Umwelt nicht gefährdet wird.
Jetzt kommt der australische Premier Hawke nach Bonn. In seinem Reisegepäck steckt der Vorschlag, einen weitgehenden Schutz der Antarktis durch einen Weltpark zu initiieren. Was wird ihm die Bundesregierung sagen?
Der Wirtschaftsminister wird sich seine Argumente zunächst anhören. Eine Entscheidung über diese Idee des Weltparks kann nicht von einem einzelnen Staat getroffen werden. Wir werden darüber auf der nächsten Antarktisrunde in Paris sprechen.
Die Frage ist, ob Hawke dort mit der Unterstützung aus Bonn rechnen kann. Wenn Bonn mitzieht, wäre einiges gewonnen.
Wir gehören nicht zu den Staaten der Antarktisrunde, die einen bestimmenden Einfluß hätten. Das Rohstoffabkommen kann auch ohne Zustimmung der Bundesrepublik in Kraft treten.
Trotzdem: Wird Bonn Australien unterstützen?
Da gibt es noch keine Entscheidung. Wir müssen uns den Vorschlag genau ansehen, und dann muß man abwarten, wie andere Nationen darauf reagieren. Wir können ja hier nicht allein entscheiden. Die USA und die Sowjetunion haben zu erkennen gegeben, daß sie diesen Vorschlag ablehnen.
Das Gespräch führte Manfred Kriener
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