: Eldorado unterm Eis?
Seit Menschen sich dem menschenlosen Kontinent nähern, versuchen sie, seine Meeres- und nun auch die Bodenschätze auszubeuten. Im 19.Jahrhundert war es das große Robben- und Walschlachten, heute wird besonders der eiweißhaltige Kleinkrebs Krill abgefischt. Da der Antarktisvertrag von 1961 solcherlei Detailfragen nicht klärt, wurde 1982 eine „Kommission zum Erhalt des Bestands an Lebewesen in der Antarktis“ gegründet. Ihr Hauptanliegen: die Fangquoten so zu regeln, daß das Ökosystem einigermaßen im Gleichgewicht bleibt.
Doch als man sich dann 1985 im tasmanischen Hobbart traf, um den Fang von Marmorbarschen zu verbieten, da reichte das Veto eines einzigen Mitglieds, in diesem Fall der Sowjetunion, um das Vorhaben scheitern zu lassen.
Ein neuer Rausch ist längst in vollem Gange: Zink, Molybdän, Platin, Uran, Gold, Nickel, Kupfer, Kohle und vor allem Erdöl - die Liste liest sich wie „das Abendgebet eines Industriellen, den das Gespenst der Rohstoffknappheit allnächtlich im Traum verfolgt“, schrieb ein taz-Autor schon vor sieben Jahren.
Spätestens seit 1969 in den Tälern des antarktischen Gebirges der Kieferknochen jenes Urviehs Lystrotaurus gefunden wurde, das vor rund 200 Millionen Jahren auch in den Sumpfgebieten Indiens und Afrikas lebte, gab es ein Indiz mehr für die Theorie vom früheren Riesenkontinent Gondwana, dessen Mitte die Antarktis bildete und der sich danach teilte.
Eifrige Wissenschaftler schlossen messerscharf: Dann müßten unter dem Eis der 16,2 Millionen Quadratkilometer großen weißen Wüste enorme Ressourcenlager zu finden sein entsprechend den Gebirgszügen anderer Kontinente. Man vermutet etwa 900 solcher Lagerstätten. Bisher wurde ein riesiges Eisenerzlager in der Ostantarktis geortet, das den Weltbedarf auf 200 Jahre decken könnte, sowie ein 50 Kilometer langer Kohleflöz im Transantarktischen Gebirge. Und bei Probebohrungen im McMurdo-Sund wurden Ölspuren entdeckt. Eine Studie der Gulf Oil vermutet allein in den Ross- und Weddell-Becken 50 Milliarden Barrel Öl, ungefähr viermal soviel wie in der Nordsee. Auch von 115 Billionen Kubikmeter Gas ist die Rede. Ein US-Geologe im 'Wall Street Journal‘ 1985: „Für mich ist es keine Frage, daß die Antarktis unter den Bohrer kommt.“
Die Risiken sind seit langem bekannt. Jede kommerzielle Ausbeutung müßte auf riesige Mengen angelegt sein, jeder Großtanker müßte mindestens 250.000 bis 500.000 Tonnen transportieren können. Bohrtürme im Packeis und zwischen Eisbergen bei einer ringförmig um die Antarktis verlaufende Meeresströmung - man kann die Unfälle schon riechen. Krillbestände würden dann verseucht, die Nahrungskette von Pinguinen und Walen zerrissen: Die Terra incognita würde zur Terra destructa.
Otto Schily brachte diese Schizophrenie im Bundestag auf den Punkt: „Warum muß die Bundesregierung diesen Vertrag eigentlich noch unterzeichnen? Weil die Bundesregierung vielleicht immer noch über ihre nur technokratisch gedachte, bloß reparierende Umweltpolitik nicht hinauskommen kann, weil die Bundesregierung unbelehrbar am Primat der ökonomischen Interessen, hier: dem Technologieexport festhält und - schlimmer noch - glaubt, das ohnehin notwendige Umsteuern in der Energiepolitik mit der Erschließung neuer fossiler Energiequellen noch weiter hinausschieben zu können. Ich glaube, wir würden vielleicht eine schmale wirtschaftliche Einbuße haben, die uns aber ökonomisch nicht weiter beeinträchtigt. Wir hätten aber mit der Antarktis gemeinsam etwas gesichert.“
AS
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