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Im Dickicht der Ozon-Grenzwerte

■ Heillose Verwirrung angesichts des photochemischen Sommersmogs / In Mannheim trotz Spitzenwert von 324 Mikrogramm keine Warnung der Bevölkerung / Baden-Württemberg warnt nicht mehr: Bund soll endlich einen verbindlichen Grenzwert festlegen

Mannheim/Berlin (taz) - Mit dem schwül-warmen Sommerwetter sind in den letzten Tagen erneut die Ozon-Konzentrationen stark angestiegen. Berlin und Hamburg meldeten kritische Konzentrationen und informierten die Bevölkerung. Doch die einzelnen Kommunen und Bundesländer reagieren völlig unterschiedlich auf den photochemischen Smog, und manche reagieren gar nicht. In Mannheim wurde am 21.Juni der Rekordwert von 324 Mikrogramm Ozon je Kubikmeter Luft gemessen, ohne daß die Bevölkerung unterrichtet und gewarnt wurde. Klare Vorschriften gibt es nicht: Die Ozonwolke breitet sich in einem rechtsfreien Raum aus.

„Aufgrund der Wetterlage ist nicht mit erhöhten Ozon -Konzentrationen zu rechnen“, schnarrt es am 2.Juni aus dem „Ozon-Telefon“ des Landes Baden-Württemberg (0721/751076). Alles paletti also? Wer den BTX-Sonderdienst der Post einschaltet und am 3.Juni die Ozon-Werte vom Vortag abfragt, reibt sich verwundert die Augen: Mannheim-Nord meldet 150 Mikrogramm, Mannheim-Mitte 140 Mikrogramm Ozon als größte Halbstundenwerte. Der BTX-Dienst weiß noch mehr. 120 Mikrogramm seien als „Smog-Alarmwert“ anzusehen. Solange dieser Wert eingehalten wird, bestehe keine Gesundheitsgefahr, heißt es in dem knappen Informationstext. Umkehrschluß: Wird dieser Wert überschritten, muß offenbar mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen gerechnet werden. Bestehen also Gesundheitsgefahren für die Mannheimer?

Wer am 3.Juni den 'Mannheimer Morgen‘ aufschlägt, kann dort nachlesen, daß auch Umweltminister Töpfer fordert, 120 Mikrogramm Ozon/cm3 als „Warnwert“ festzulegen. Am 21.Juni wird in Mannheim Töpfers „Warnwert“ um mehr als das Doppelte übertroffen, ohne daß die Bevölkerung auch nur unterrichtet wird. 224, 234 und sogar 324 Mikrogramm wurden als Spitzenwerte gemessen. Trotzdem herrscht Funkstille. Das baden-württembergische Umweltministerium hat sich nämlich entschieden, grundsätzlich keinen Ozon-Alarm mehr zu geben. Noch am 23.Mai war bei einem deutlich geringeren Wert (222 Mikrogramm) die Bevölkerung vor körperlichen Anstrengungen gewarnt worden. Diesmal nicht: „Wir haben uns landesweit darauf festgelegt, Verhaltensregelungen nur noch auf Anfrage über Telefon zu geben“, so Wolf Hammann, Sprecher von Umweltminister Vetter. Ergo: Gewarnt werden nur solche Bürger, die ohnehin eine Antenne für die Ozon-Belastung haben und das Ozon-Telefon regelmäßig abfragen. Wer nicht anruft, erfährt nichts.

Wesentlicher Grund für die baden-württembergische Informationspolitik ist der heillose Wirrwarr um die diversen Alarm-, Richt- und Grenzwerte in Sachen Sommersmog. „Niemand weiß“, so Hammann, „ab wann die Ozon-Belastung wirklich gefährlich ist.“ Sein Haus habe wiederholt den Bund aufgefordert, endlich einen gültigen Grenzwert festzulegen.

Auch Prof. Michael Wagner, Ozon-Spezialist beim Bundesgesundheitsamt, bestätigt, daß verschiedenste Werte herumgeistern. Wagner nennt 120 Mikrogramm als unverbindlichen Richtwert. Bis zu dieser Konzentration gebe es garantiert keine gesundheitlichen Auswirkungen. Kritisch wird es laut BGA aber erst ab einer Konzentration von 240 Mikrogramm. Dann sollten „Personen, die erfahrungsgemäß gegenüber Luftschadstoffen empfindlich reagieren, sich nicht im Freien einer länger andauernden körperlich anstrengenden Tätigkeit unterziehen“. Vor allem bei Asthmatikern, Herz -Kreislauf-Kranken und Allergikern könne es dann zu reduzierter Atmung, Tränenreiz und Kopfschmerz kommen. Der größte Teil der Bevölkerung werde auch bei diesen Konzentrationen „noch gar nichts spüren“, so Michael Wagner. Ab 360 Mikrogramm müsse allerdings auch bei Gesunden mit Beeinträchtigungen und unter Umständen mit Lungenfunktionsstörungen gerechnet werden. Aber wer ist schon gesund?

Das BGA empfiehlt auf jeden Fall den Behörden, ab 240 Mikrogramm Ozon/cm3 Presse, Funk und Fernsehen einzuschalten, um die Bevölkerung zu unterrichten. Diese Empfehlung lag auch der Stadt Mannheim und dem Umweltministerium vor, das dennoch keine Warnung gab. Dies wird vermutlich solange praktiziert, bis der von den Länderministerien eingesetzte „Landesausschuß für Immissionsschutz“ einen verbindlichen Grenzwert ausspuckt. Das kann dauern, denn die Festlegung dieses Grenzwertes ist eine rein politische Entscheidung. Und zugleich müssen Gegenmaßnahmen festgelegt werden, bis hin zu Fahrverboten. Denn wichtigster Verursacher des Sommersmogs sind die Stickoxid-Emissionen des Verkehrs.

Ingo Leipner/Manfred Kriener

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