piwik no script img

„Marketing by Clausewitz“ und Guerillataktik

Verstärkt werden klassische Militärstrategien auf den Wirtschaftsbereich übertragen / Der Grund: Die Vermarktung wird für die Unternehmensleitungen immer wichtiger, hier findet der Kampf ums Überleben statt / Von Hannibal lernen heißt wirtschaften lernen: Die Schlacht von Cannae 216 v.u.Z.  ■  Von Manfred Kleinhans

„Es wird Krieg geben“, droht Tokiu Takahashi, Technischer Direktor von Japans größtem Autokonzern Toyota, „Krieg zwischen uns und den Europäern.“ „Wir befinden uns inmitten eines Kriegs mit Japan“, versichert Chrysler-Chef Lee Iacocca. „Dieses Mal handelt es sich nicht um einen Krieg, in dem geschossen wird. Der gegenwärtige Konflikt ist ein Handelskrieg.“

Den Hintergund dieser kriegerischen Gebärden gibt der Exchef von Ford/Köln, Daniel Goedeverti: “...die abzusehende Reduzierung der Zahl von internationalen PKW-Herstellern von zwölf auf fünf oder sechs.“

Der wirtschaftliche Wettstreit wird immer härter, ob zwischen Autobauern oder Bierbrauern. Wettbewerb heute - das ist Fortschritt oder Untergang. Es geht ums „Überleben“. Entsprechend kriegerisch ist der allgemeine Sprachgebrauch: Da werden nach der Guerillataktik Preiskriege geführt, Verkaufsgruppen auf einen Werbefeldzug geschickt, da wird eingekesselt, frontal angegriffen und von der Flanke her zugeschlagen. Da gibt es Feindberührung im Stellungskampf.

In den siebziger Jahren mußte der Manager ein paar mathematische Formeln und Gleichungen im Kopf haben, um in der Welt der Wirtschaft seinen Mann zu stehen. In den ausgehenden Achtzigern empfiehlt der Insbrucker Wirtschaftsprofessor Hans Hinterhuber den Clausewitz-Schüler Helmut von Moltke zur Nachahmung. „Es scheint, Clausewitz avanciere zum Bestseller unter Managern“, haut der Marketingprofessor Heribert Meffert (Münster) in die gleiche Kerbe. Folgerichtig nennen die Marketingstrategen Al Ries und Jack Trout (New York) ihr Konzept „Marketing by Clausewitz“. Und ihr Buch, ein Klassiker der strategischen Unternehmensführung, betiteln sie mit Marketing Warfare. Darin raten sie, die Stärken und Schwächen der Konkurrenten auszuspähen, um danach die eigene Stärke auszurichten.

„Unter vielerlei Gesichtspunkten hat das, was wir unter Unternehmensstrategie verstehen, seine Wurzeln in der militärischen Strategie“, behaupten auch die Marketingleute D.K. Clifford und R.E. Cavanagh. Nach ihren größten Karrierechancen gefragt, antworteten 80 Prozent der US -amerikanischen Spitzenmanager: Marketing und Vertrieb. In der Marktwirtschaft nämlich ist der Absatzmarkt ausschlaggebend. Der Unternehmensführer der Zukunft wird also ein Marketingmann sein, kein Fabrikant, kein Entwicklungschef, auch kein Finanzchef. Geld ist genug vorhanden. Auch die Produktion ist nicht mehr so wichtig. Überall auf dem gesamten Erdball gibt es unausgelastete Firmen, gibt es Firmen, die noch billiger produzieren können, den Stahl und die Kohle, Chips und Maschinen, Fernsehapparate und Jeanshosen.

„Vor fünf Jahren“, gesteht Siemens-Vorstandsmitglied Max Günther, „hätte ich mich nicht getraut, laut über eine Siemens-Strategie zu reden.“ Heute ist es wichtiger denn je: Nachrichtentechniker Günther weiß, daß auch im Kampf um den weltweiten Zukunftsmarkt der Telekommunikation nur sechs Konkurrenten übrigbleiben werden. Derzeit sind noch etwa zwanzig im Geschäft.

„Eine Grundvoraussetzung militärischer Strategie ist natürlich, daß erfolgreiche Krieger die schwache Stelle ihres Gegners erkennen und ihn überraschen müssen - sie sollten wie in einem Guerillakrieg handeln“, raten Clifford und Cavanagh. „Mittlere Unternehmen sind zu Meistern des Guerillakriegs geworden.“ Und dann: „Wie bei den amerikanischen Revolutionären vor 200 Jahren basiert ihre Strategie auf der sorgfältigen Wahl des Schlachtfelds, auf Schnelligkeit und dem Überraschungseffekt, fanatischer Überzeugung, der Konzentration der Kräfte und dem Sieg von Einfallsreichtum und gesundem Menschenverstand.“

Vor allem die Japaner, deren Manager in nationalen Prioritätenplänen geschult werden, eroberten durch stringente Strategien bei Halbleitern, in der Bürotechnik und in der Unterhaltungselektronik die Massenmärkte der Welt - Nordamerika, Westeuropa und Fernost. Ganz besorgt fragt das 'Management Magazin‘, das Heft für Führungskräfte: Kann es die amerikanische Armee besser als die deutschen Unternehmen? Dort nämlich, im der Armee eigenen Schulungszentrum Organizational Effectiveness Center and School (OECS) in Ford Ord (Kalifornien) werden neue Vorgesetzte in „Transition-Workshops“ für ihren neuen Arbeitsbereich geschult - seit zwölf Jahren mit guten Erfahrungen. Während hierzulande nicht einmal jeder fünfte Manager die Probezeit besteht und fast jeder zweite nach zwei Jahren das Unternehmen wieder verläßt - dem miesen Arbeitsmarkt zum Trotz.

Viel radikaler geben sich da die schwedischen Wirtschaftsmacher. Bespickt mit „Military Methaphor“ bieten die beiden Marketing- und Managementberater Durö und Sandström ihre Seminarprogramme an: „Marketing Warfare“. Militärische Operationen aus erster Hand: Sandström ist zugleich Leiter der Planungsabteilung der schwedischen Marine und dort für strategische und operative Aufgaben verantwortlich.

Mehr als hundert schwedische Unternehmen ließen sich in klassischer Kampfstrategie schulen, wie sie von den Militärtheoretikern Carl Clausewitz, Andre Beafre und Liddell Hart etwa beschrieben wurden: wie militärische Grundsätze auf den Marketingbereich übertragen, wie typische Kampfstrategien (Frühaufklärung, Guerillataktik) von namhaften Firmen (IBM, Toyota, VW) eingesetzt werden. Dabei sollen die Eröffnungsphase der Schlacht von Cannae im Jahre 216 v.u.Z. - Hannibal stand einem kräftemäßig gleichstarken römischen Heer gegenüber - ebenso wie der Luftangriff der Israelis im Sechstagekrieg auf die arabischen Staaten neue unternehmenspolitische Erkenntnisse bringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen