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'Emma‘ strickt weiter an Mister X

Alice Schwarzer behauptet weiter: Ingrid Strobl wurde Opfer des Verfassungsschutzes / „Mister X“ sei ein Agent provocateur gewesen / Schwere Beschuldigungen ohne Beweise / 'Emma'-Chefin Schwarzer verweist eher wolkig auf noch nicht veröffentlichtes Material  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Ohne konkrete Beweise vorzulegen, bleibt die 'Emma'-Herausgeberin Alice Schwarzer weiterhin bei der Behauptung, die sie in der jüngsten Ausgabe ihres Blattes aufgestellt hat: Ingrid Strobl, so hatte die 'Emma‘ spekuliert, sei Opfer eines Verfassungsschutzkomplotts. Der fast schon legendäre Mister X, für den Ingrid Strobl nach eigenen Angaben den Wecker gekauft haben will, der später bei einem Anschlag auf die Lufthansa verwendet wurde, sei in Wirklichkeit ein V-Mann namens Ulli D. Als Indizien für diese These führte die 'Emma'-Herausgeberin nur vage Behauptungen an (siehe taz vom 28.6.). Obwohl zahlreiche, von der taz aufgelistete Fakten deutlich gegen diese Verdächtigungen sprechen, beharrt Alice Schwarzer auf ihrer These: „Man muß zu 90 Prozent davon ausgehen, daß das stimmt.“ Auf die Nachfrage, ob sie für ihren Spitzelverdacht außer den veröffentlichten Spekulationen auch Fakten vorzuweisen habe, erwidert die 'Emma'-Chefin: „Wir wissen mehr, als wir geschrieben haben.“ Warum haben diese Beweise, wenn es sie denn tatsächlich geben sollte, nicht in der Zeitung gestanden? „Mit Rücksicht auf Informanten, aus menschlicher Rücksicht auf Ingrid Strobl und aus journalistischer und politischer Sorgfaltspflicht“ habe sie nicht alles gesagt. Möglicherweise werde in der nächsten 'Emma‘, vielleicht aber auch schon vor Erscheinen der nächsten Nummer, mehr mitgeteilt.

Ulli D., seit Jahren in der Kölner Linken engagiert, ist seit über einem Jahr untergetaucht, weil auch gegen ihn wegen „Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung Revolutionäre Zellen“ ermittelt wird. Er kann sich gegen den Spitzelverdacht nicht wehren. Von welcher Qualität die eventuell dann in einem Monat von der 'Emma‘ präsentierten „Fakten“ sein werden, ist mehr als fraglich.

Als „Hauptinformanten“ nämlich führt Alice Schwarzer zwei ehemalige, namentlich nicht genannte Mitbewohner von Ulli D. an. Die hätten „nicht ausschließen wollen“, so Alice Schwarzer, daß Ulli D. V-Mann sei. Außerdem, so die 'Emma' -Chefin, seien derartige Gerüchte um Ulli D. „in der Kölner Politszene ein offenes Geheimnis.“ In der Kölner Szene werden diese Verdächtigungen gegen Ulli D. jedoch eher als völlig absurd kommentiert. Ein kurzfristig vor einem Jahr aufgetauchtes Gerücht ist längst ausgeräumt.

„Hauptindiz“ gegen Ulli D. ist für Alice Schwarzer nach wie vor „die Tatsache, daß er nicht ernsthaft verfolgt worden ist“ und ohne Haftbefehl blieb, obwohl er den Ermittlungsbehörden „als der Mann in Ingrid Strobls Nähe“ verdächtig habe erscheinen müssen.

Nur: Ulli D. war weder „der Mann“ in Ingrid Strobls Nähe, noch wurde er - und das ist Alice Schwarzer bekannt - von den Ermittlungsbehörden „unbehelligt“ gelassen. Ulli Ds Wohnung wurde zwei Tage vor der Verhaftung von Ingrid Strobls in seiner Abwesenheit durchsucht, wenige Tage später erhielt er eine Aufforderung, zur Vernehmung bei der Polizei zu erscheinen. Bei Freunden, Eltern und Arbeitgeber, amnesty international, wurde nach ihm gefahndet, und wohl erstmals in der jüngsten Geschichte griffen die Ermittlungsbehörden auch zu dem Mittel der mehrwöchige Erzwingungshaft, um zwei Frauen dazu zu bewegen, über den Aufenthaltsort von Ulli D. Auskunft zu geben.

Daß diese spektakulären Zwangsmaßnahmen den polizeilichen Nachforschungen nach Ulli D. galten, will die 'Emma'-Chefin erst einen Tag vor der Drucklegung ihres umstrittenen Artikels erfahren haben. Aber auch diese Tatsache hätte an der Geschichte „nichts relativiert“, meint Alice Schwarzer. Man wisse ja, daß der Verfassungsschutz auch gegen eigene Leute ermittele, um deren Legende aufrecht zu erhalten.

Während Teile der Kölner Szene in öffentlichen Erklärungen der 'Emma‘ jetzt „Verleumdung“ vorwerfen, beharrt Alice Schwarzer darauf, „mit aller nötigen politischen und menschlichen Sorgfaltspflicht“ gearbeitet zu haben. Außerdem habe sie sich von dem renommierten linken Anwalt Sebastian Cobler vor der Veröffentlichung beraten lassen.

Cobler selber ist es inzwischen äußerst unangenehm, „daß dieser Artikel das Gütesiegel meines Namens zugeteilt bekommt“. Er habe den Artikel ausschließlich unter presserechtlichen Gesichtspunkten geprüft. Inhaltlichen und politischen Rat habe er nicht erteilt. Er habe Alice Schwarzer jedoch geraten, die Bitte der im Strobl-Prozeß beteiligten Verteidiger zu respektieren und von einer Veröffentlichung abzusehen. Nur wenn es sich um eine große politische Sensation gehandelt hätte, hätte er eine Veröffentlichung des Artikels befürwortet - diese Sensation habe er jedoch nicht gesehen.

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